Quer durch Zypern auf dem E4 (II)

Wenigstens ist noch ein Markierung da

15.2.

Beim Abendessen gestern im Tea for Two (very british!) gleich neben dem Hotel habe ich mich sehr nett mit dem Kellner unterhalten. In Februar ist in Zypern immer noch off season, entsprechend wenig los und keine Hektik im Service.

So erfahre ich, dass die Akamas Halbinsel wirklich so toll sein soll, wie es überall steht und George bietet mir an, mich mit dem Auto wieder bis nach Pegeia zurück zum Trail zu führen und am Abend an einem verabredeten Treffpunkt Wasser zu deponieren, weil es auf der Halbinsel keines gibt. Leider hat er erst wieder am Donnerstag für diese Aktion Zeit und mich kribbelt es trotz allem in den Beinen, um schon am Mittwoch zu starten.

Eine gute Nacht und ausgeruht sieht die Welt gleich wieder besser aus und ich bin für neue Wege bereit …

Nach einem typisch zypriotischen Frühstück – Toast, Halloumi, Frischkäse, Oliven und zum Schluss Marmelade mache ich mich zum Tourist Office in Paphos auf, um neue Erkundigungen durchzuführen.

Es gibt hier sogar kostenlose Karten im Maßstab 1:100 000 – immer noch besser als 1:200 000  Strassenkarte – vom Gebiet um Paphos und die ausgesprochen nette Dame erklärt mir, es gäbe auf der ganze Halbinsel kein Wasser. Trotzdem telefoniert sie mit einem Geologen Christos, der sich dort sehr gut auskennt und er erklärt, es gäbe im NW wo der E4 zur Inselmitte abzweigt einen Brunnen (well), den sie mir einzeichnet. Auch die Telefonnummer schreibt sie mir noch auf die Karte … obwohl mir die bei Wassermangel auch nicht so viel hilft. Aber nett allemal. Ausserdem erfahre ich, dass es einen Bus bis Agios Georgios gibt, von wo ich wieder auf den E4 komme. Den kleinen Abschnitt von von Pegeia bis Agios Georgios spare ich mir – und das war gar nicht unklug, wie ich noch erfahren werde.

Es regnet fast den ganzen Tag, aber ich spaziere trotzdem durch Paphos und finde immer wieder neue Ausgrabungsstätten, Felshöhlen und ein Amphitheater.

16.2.

3. Etappe: Agios Georgios – Akamas Halbinsel

Wieder ein ausgiebiges Frühstück und dann mit dem Autobus (610 oder 615) bis Coral Bay und dann mit dem 616 weiter nach Agios Georgios. Um diese Jahreszeit machen vor allem Pensionisten Urlaub in Zypern und ich bin mit grossem Abstand die jüngste im Seniorenbus. Und ich bin die Einzige, die kein Rückfahrticket nimmt!

Akamas Westküste Richtung Norden

Um 11:00 starte ich von der hübschen Kirche weg, meine 2l Platypus Flasche am Brunnen vor der Kirche noch einmal mit Wasser aufgefüllt. Rund 10 Minuten geht es auf der Strasse zurück und dann links dem Wegweiser Akamas folgend. Nach einer langgezogenen Kurve mit einem Restaurant zweigt rechts der Weg in die Avakas Schlucht ab. Ich lasse meinen Rucksack im Gebüsch versteckt liegen und folge dem Nature Trail in die Schlucht. Nature Trails sind beschilderte Naturlehrpfade und sind das einzige an Wegen, das dem entspricht, was man als „Wanderweg“ bezeichnen würde. Diese wunderschöne Wanderung in die Schlucht ist aber noch nicht einmal Teil des E4!

Avakas Schlucht - Canyoning

Avakas Schlucht

Between a rock and a hard place ... der ist oben geblieben

Durch den vielen Regen am Vortag führt der kleine Bach auch richtig Wasser und es ist eine richtige kleine Canyoning Tour:  lustig von einem Stein auf den anderen zu springen und den Weg im Flussbett suchen. An den schmalsten Stellen kann ich fast beide Felswände berühren und nach oben tut sich nur ein Spalt auf.

Dann geht es auf der Sandstrasse weiter, immer gradeaus, Kilometer um Kilometer. Es ist um die Jahreszeit wenig Verkehr und daher wirbelt niemand den Staub auf. In zwei Monaten bei richtig warmem Wetter und jeder Menge Autos stelle ich mir diesen schattenfreien Abschnitt des E4 wie die Hölle vor.

Auf der Höhe eines Kliffs mit schönen Ausblick auf den Turtle Beech und die Lara Halbinsel mache ich meine Mittagspause mit einer Handvoll der zypriotischen Nussmischung (Erdnüsse, Kichererbsen, Kürbiskerne, Mandeln, Mais, etc.), Käse, Salami und Tee.

Die Sandstrasse zieht sich immer noch ewig dahin, manchmal einfach schnurgerade, manchmal jeden Taleinschnitt in einer weiten Kurve, die einen in der Luftlinie nur 100 Meter weiterbringt. Ein kleiner Fluss führt noch etwas Wasser und weil ich schon knapp bin trinke ich dort einen guten Liter am Stück. Zwischendurch gibt es schöne Ausblicke und eine beeindruckende Felsformation Erimites mit Halbhöhlen. Um diese Jahreszeit ohne Ziegen sind das ganz schöne Biwakplätze, aber viel zu früh für mich.

Eremitis Halbhöhlen

Die Akamas Halbinsel ist im übrigen ausgedehnt landwirtschaftlich genutztes Gebiet, mit zahlreichen Strassen und auch nicht wirklich menschenleer, wie immer wieder behauptet – oder nur im Vergleich zur restlichen sehr dicht besiedelten Insel. Der Wald der Insel besteht aber vorwiegend aus niedrigem Stachelgebüsch (Macchia), ein paar mitgenommenen Kiefern und byzantinischem Wacholder – dazwischen toben sich die Offroad-Fahrer hemmungs- und wahllos aus.

Um 17:30 bin ich fast am Nordende der Halbinsel angelangt und suche mir etwas abseits der Strasse in Richtung Meer einen Biwakplatz. Die Auswahl ist leicht – es gibt hier eigentlich nur perfekte Plätze: perfekte Aussicht aufs Meer und den Sonnenuntergang, den Mond, freie Sicht auf den Sonnenaufgang und doch eine nette heimelige Deckung durch das Gebüsch. Nur Wasser gibt es keines. An einer Abzweigung Richtung Neo Chorio steht zwar ein Brunnen, aber der Wasserschlauch ist nicht angeschlossen …

Die Idee wäre an sich ja nicht schlecht, aber die Ausführung?

Noch ist es windstill mit wenig Wolken und ich baue mein Tarp hoch auf, weil ich eigentlich nicht mit schlechtem Wetter rechne. Zum Abednessen gibt es Erdäpfelsuppe mit Gemüse und Couscous. Noch ein bisschen Lesen, der Mond ist beinahe voll und dann bin ich schon einschlafbereit. Kaum eingeschlafen kommt zuerst Regen und dann zunehmend Wind, so dass ich beschliesse mein Tarp tiefer zu legen. Obwohl ich mit dem Kopf im Wind liege ist es nicht kalt und ich schlafe gut, obwohl ich heute insgesamt nur 4,5 Stunden gewandert bin.

Übernachtung direkt am Meer

17.2.

4. Etappe: Akamas Halbinsel – Smigies Picknickplatz

Früh am Morgen wache ich auf, weil ich Ziegenglocken höre, aber die bleiben auf der Strasse. Es weht ein heftiger Wind und das Meer rauscht laut, die Wellen kommen alle hoch und mit weissen Schaumkronen herein; doch es hat gemütliche 14°.

Windiger Morgen

Die Sonne geht auf und verschwindet immer wieder hinter den Wolken. Zum Frühstück verbrauche ich mein letztes Wasser für Tee und Porridge und hoffe, dass ich bald wieder eines an der angegebenen Stelle finde. Leider nicht – es gibt zwar einen grossen Wassertank, aber alles ist trocken und so gehe ich ohne Wasser über den Berg auf die andere Seite der Halbinsel.

Blick nach oben auf meinen Weg zum Rücken der Halbinsel

Blick zurück auf meinen Weg (s.o.) und meinen Biwakplatz

Mein nächstes Ziel ist die Fontana Amorosa – aber Quelle gibt’s dort schon lange keine mehr. Ich treffe aber einen Fischer, der wegen des vielen Windes das Angeln aufgegeben hat und stattdessen Disteln aussticht und fürs Mittagessen nach Hause nimmt. Immer wieder habe ich Leute getroffen, die sich einen Teil ihrer Lebensmittel einfach aus der Natur holen – Fische, Schnecken, Frösche, alle Arten von Grünzeugs und Pilze waren die Ausbeute die sie mir gezeigt haben.

Fontana Amorosa

Neben der Strasse ist eine riesige Ziegenfarm, wo ich vermutlich Wasser bekommen hätte, aber so dringlich war mir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Der weitere Weg ist wieder Teil einer Offroad-Sonderprüfung mit metertiefem Schlamm auf vierspuriger Breite, weil jeder die noch bessere Linie fahren möchte. Auch zu Fuss ist dieser Abschnitt eine Herausforderung, weil es dauernden Seitenwechsel und Umwege durchs Dornengestrüpp erfordert.

Es wird immer wärmer, auf dieser Seite der Halbinsel ist es weniger windig und der Ausblick aufs türkisblaue Meer erfüllt alle Klischees vom Wandern auf der Mittelmeerinsel.

Wandern am Mittelmeer

Vom E4 zweigt rechts der Aphrodite Nature Trail ab und ich nehme einfach diesen verlockenden Pfad anstatt auf der Erdstrasse weiterzugehen. Die Ausblicke werden mit zunehmender Höhe immer schöner und atemberaubender – diese paar Kilometer gehören tatsächlich zum Schönsten, was ich gegangen bin – und eigentlich verläuft der E4 nicht hier auf diesem schönen Abschnitt! Bei Pyrgos tis Rigenas – einem Ruinenplatz – finde ich auch endlich wieder Wasser an einem Brunnen, der dort neben einer riesigen uralten zyprischen Eiche sprudelt. Im Windschatten der alten Gemäuer mache ich eine meine Pause. Von hier würde der E4 wieder weitergehen, aber ich wandere zunächst auf dem Aphrodite Trail bergab zum Bad der Aphrodite in der Hoffnung, dass dieses Bad den Umweg auch wert ist.

Tiefblicke

Aphrodite Nature Taril - ein richtiger Wanderweg!

Loutra tis Afroditis ist ein kleiner Quellteich zwischen den Felsen und eines der Ziele, die man in Zypern bei seinen Besichtungstouren dabei hat. Entsprechend gross ist der Parkplatz und das Restaurant. Eine alte Frau verkauft Orangen direkt aus dem PickUp und ich kaufe mir zwei um 50 Cent, was sie fast aus den Schlapfen kippen lässt, worauf sie mir noch einen ganzen Nylonsack dazu aufdrängen möchte. Aber ich muss das Zeug ja tragen, bergauf!

Bad der Aphrodite

Im Restaurant frage ich nach, ob es an dem auf der Karte eingezeichneten Picknickplatz Smigies auch Wasser gibt – ein Telefonat mit dem Handy ergibt: ja, gibt es.

Also wieder bergauf, diesmal auf dem Adonis Trail, der wieder ein fahrbarer Weg ist und erst später in einer Schlucht an hohen Felswänden vorbeiführt. An einer Wegkreuzung (mit Brunnen) verlasse ich wieder den E4 kurzfristig, weil ich die Schleife zum Ruinenplatz nicht nocheinmal gehen möchte. An einem alten Magnesium Brennoffen vorbei geht es wieder auf die Strasse. Sie verläuft ziemlich am Rücken der Halbinsel Akamas und ich kann wechselnd auf beide Seiten bis zum Meer schauen. Ist eigentlich gar nicht so weit, wo ich gestern gegangen bin …

Nach einem kurzen Abstecher auf den Hügel zur Feuerbeobachtungsstation mit naturgemäss bester Aussicht gehe ich weiter auf der Strasse bergab – schön langsam würde es Zeit für einen Übernachtungsplatz. Nur leider gibt es hier so nicht einmal die 2 Quadratmeter ebene Fläche, die mein Minimalanspruch wären.

Das E4-Hinweisschild an einer Strassenkreuzung verspricht eine Übernachtungsmöglichkeit in 3km in Neo Chorio oder 6km in Polis – Abstecher vom E4 wohlgemerkt und das am Ende einer langen Tagesetappe!

Adonis Nature Trail

Vor meinem inneren Auge taucht eine kleine Pension auf, vielleicht ein Abendessen in einer Taverne – eben all das, was man sich so von einer Infrastruktur einer kleinen Mittelmeerinsel ausmalt. Was ich finde ist zumindest der Picknickplatz – und dort steht ein altes Auto. Vassili spricht zwar kaum ein Wort englisch, aber es gibt Übernachtungsmöglichkeit in Neo Chorio wo er wohnt und er nimmt mich natürlich mit. Klapprig und langsam ruckeln wir auf der Betonstrasse dahin und unterhalten uns so weit das möglich ist. Vassili arbeitet an einer Strassenbaustelle, muss um 19:00 dort sein und kommt erst in den frühen Morgenstunden heim – ich könnte mir auch seinen Schlüssel holen, falls das mit dem Hotel nichts wird. Er setzt mich vor dem Kafenion ab, wo ich nachfragen soll. Beim Eintreten glaube ich ein Déjà vue Erlebnis zu haben: zwei alte Leute, in Decken eingewickelt, ein Heizstahler und ein riesiger Flachbildfernseher!

Keiner weiss was von einem Hotel, alle sind freundlich und ratlos, wollen doch gerne behilflich sein. Langsam wird es dunkel und ich bin in einer Ortschaft, weder Hotel noch Biwakmöglichkeit.

Na denn – der Vollmond geht auf und ich gehe mit schmerzenden Füssen die 3km auf der Betonstrasse wieder bergauf zum Picknickplatz. So sehr hätte ich mich schon gefreut.

Unterwegs komme ich noch an einer kleinen Kirche vorbei, Agios Minas, es gibt zwar Wasser, aber für eine Übernachtung gefällt es mir nicht gut genug.

Bald bin ich wieder zurück auf dem Smigies Picknickplatz und baue bei Mondschein mein Tarp zwischen den Tischen auf. Alles ist eben, aber der Boden ziemlich hart. Eigentlich bin ich schon wieder zufrieden mit dem üppigen Luxus: es gibt Wasser, eine Feuerstelle, genug Kleinholz. Zum Abendessen koche ich mir mit dem Spirituskocher eine Erbswurst mit Couscous.

Übernachtung am Picknickplatz Smigies

Punktlandung am Ameisenloch

Krokusart, die es nur in Zypern gibt

Felsabbrüche an der Westküste

Meditatives Wandern auf langen Sandstrassenkilometern

Reste von den Briten

Byzantinischer Wacholder

4 Kommentare

  1. Danke für die schönen Beschreibungen !

  2. Danke für das nette Feedback – Fortsetzung folgt, aber das sonnige Wetter erschwert es etwas …

  3. Hallo Sabine,
    Danke für das Onlinestellen deiner Wanderung. Kann nun anhand der Beschreibung deine Tour recht gut nachvollziehen. Welche Karte hast du verwendet? Oder hast du gar ein GPS zur Trackaufzeichnung verwendet?
    lg Hans

  4. Also das mit den Karten und Zypern ist so eine Sache – ich hatte die 1:200.000 von Baedeker dabei, aber da sind noch nicht einmal alle Strassen eingezeichnet.
    Für einzelne Bereiche gibt es bessere Karten in der Touristinfo – aber die wichtigen Infos und Ressourcen fasse ich am Schluss alle noch zusammen.
    GPS hatte ich nicht dabei – es soll aber ab 2012 den E4 als GPS-Track bei CTO geben…

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