Die Ausrüstung ist so weit fertig und liegt bereit. Die letzten Wochen nütze ich vor allem für den wichtigsten Teil der Ausrüstung, den zwischen den Ohren und im Herzen.
Doch die Frage ist, kann man sich überhaupt mental und emotional auf eine so lange Wanderung vorbereiten und wenn ja wie?
Eine der wichtigsten Fragen dazu ist vor allem das WARUM.
Interessanterweise ist die Frage Warum machst du so was? kein einziges Mal in den vielen Gesprächen mit Familie, Freunden und Bekannten aufgetaucht. Das mag daran liegen, dass man jemanden, der solche Ideen hat, wie über 4000 km zu Fuss gehen sowieso schon für völlig plem-plem hält. Und dann bringt es ja auch gar nichts, nach einem Warum zu fragen, weil wer nicht alle Tassen im Schrank hat, überlegt sich bestimmt kein Warum.
Es kann aber vielleicht auch daran liegen, dass die Idee des Wanderns, über eine längere Zeit und eine lange Strecke für Menschen irgendwann einmal – so vor 30.000 Jahren – etwas so selbstverständliches war, dass es dafür gar kein Warum braucht. Die Vorstellung hat etwas Anziehendes und berührt ganz offensichtlich bei vielen Menschen etwas.
Ich denke, Menschen sind fürs Gehen geboren und eine Tagesdistanz von 15-25 km zu bewältigen, liegt auch nach vielen Generationen noch in unserem Naturell. Natürlich nicht in jedem gleichermassen – es gibt schon genug Menschen, die sehr sesshaft sind.
Es ist also unter anderem ein gewisser innerer unbegründbarer Antrieb, der einen auf den Trail schickt – die, die auch unterwegs sind kennen die innere Unruhe, wenn es Frühjahr wird!
Daneben gibt es aber auch noch andere Gründe und Zach Davis schreibt in seinem grossartigen Buch Appalachian Trial auch, dass es sinnvoll ist, sich diese Gründe aufzuschreiben. Für die Zeiten unterwegs, wo man sich unweigerlich fragt, was mach ich da eigentlich … und die kommen ganz gewiss!
Warum also gehe ich?
- Ich mag es, eine Landschaft zu Fuss kennenzulernen, mit einer Geschwindigkeit, die genau richtig ist für das Aufnehmen von Eindrücken.
- Ich mag es, wenn ein Weg über weite Abschnitte sichtbar vor und hinter mir liegt, wie das ganz besonders auf dem Pacific Crest Trail der Fall ist: Der Blick zurück zum bereits gegangenen Weg und der Blick nach vor zu dem, was noch zu bewältigen ist, ist gleichzeitig befriedigend und ehrfurchtgebietend.
- Ich mag die täglichen kleinen Begegnungen und Erlebnisse am Weg mit Tieren und Pflanzen, der Landschaft. Alles ist völlig unvorhersehbar – im einen Moment ist es langweilig, ermüdend und heiss am Weg und im nächsten ist da überraschend eine kühle Quelle oder ich stehe für einen zauberhaften Augenblick mit einem Tier am Weg.
- Ich mag, das Unterwegssein an sich, in der Früh nicht wissen, wo man am Abend sein Lager aufschlägt. In der Nacht mit dem Schlafplatz auf der Erde eine auflösliche Verbindung für ein ganzes Leben einzugehen.
- Was mich interessiert ist der meditative Aspekt des Gehens und nicht die sportliche Herausforderung. Und was passiert, wenn mein Verstand meint, wir wären jetzt genug gegangen und hätten genug Tiere und Landschaft gesehen und ich gehe trotzdem weiter?
- Es wäre für mich gleichsam unentschuldbar, mit meinen beruflichen, finanziellen und familiären Möglichkeiten nicht auf meinen langersehnten Walkabout zu gehen.
Viele der Wanderer, die 2012 am PCT unterwegs sein werden, widmen ihre Wanderung ausserdem noch einer guten Sache und sammeln Geld oder Aufmerksamkeit für Herzkrankheiten, Verkehrsopfer, MultipleSkleroseForschung, Target, chronischen Schmerz oder ähnliches.
Meine Widmung ist ein bisschen leiser und sie hat auch nichts mit Geld zu tun, sie hat keinen Namen und keine Organisation: Sie ist für einen meiner Klienten und alle jene Menschen, die aus den verschiedensten Gründen, vor allem gesundheitlichen, ihre Pläne und Träume nicht mehr verwirklichen können. Sie alle haben mich mit ihren Lebensgeschichten immer wieder daran erinnert, dass man es jetzt machen muss, später gibts vielleicht nicht mehr!
Die Prioritäten unterwegs sind ein weiterer Aspekt der mentalen Vorbereitung:
Das Erreichen der kanadischen Grenze ist zwar mein äusseres Ziel, das mit dem Trail die Rahmenbedingungen für spirituelle Erfahrungen bildet. Meine oberste Priorität ist aber nicht das Thru-Hiking, das Erreichen eines künstlichen und materiellen Ziels in Form einer Waldschneise, die die Grenze zu Kanada bildet. Das langfristige Wandern hat für mich mehr Wichtigkeit als das Ankommen in Kanada.
Mein oberstes Ziel ist es, eine Saison über 5 Monate hindurch zu wandern und unterwegs zu sein. Und es soll eine Freude und ein Vergnügen sein, keine unnötige Schinderei! Wenn sich das physisch mit den langen Tagesetappen, bis an das Trailende nicht ausgeht, dann eben nicht.
In Wirklichkeit ist jeder Schritt und jeder Atemzug schon eine vollendete Wanderung – der Weg ist jetzt das Ziel, nicht Kanada.
Gut ist es auch zu wissen, was man mit sich anfängt, wenn es nicht so rund läuft. Womit kann ich mich regenerieren und was rettet die Motivation. Weil, dass es zum Tag X kommt, an dem eine solch lange Wanderung auf der Kippe steht, ist sicher – ich schätze, dass ich mich so nach rund 700 km das erste Mal richtig fragen werde, was ich da eigentlich verloren habe und warum ich nicht gemütlich daheim mit meinen Katzen, einem Tee und einem guten Buch auf der Terrasse in der Sonne sitze.
Ein, zwei gemütliche Ruhetage mit etwas zum Lesen in der Sonne sind auch genau das, was mich am nächsten Tag schon wieder mit neuem Elan erfüllt.
Meine grössten Motivationskiller sind kalt-feuchtes Wetter, bei dem alle Gelenke schmerzen und viel kalter Wind – da hilft oft schon ein schöner Sonnenaufgang oder sonst eben ein kleiner Warmdusch-Abstecher in die Zivilisation. Kalifornien hält auch noch ein paar Hotsprings bereit!
Das Wissen um diese unweigerlich auftretenden Tiefpunkte hilft schon viel – ich weiss, dass sie kommen werden und dass sie nur vorübergehend sind. Alle Situationen, die unterwegs nicht so lustig sind, fallen meistens in die Kategorie Type II Fun von Andrew Skurka: No fun to do, but fun to speak about. Damit sind dann wenigstens unterhaltsame Reiseberichte wieder gesichert.
Rein praktisch wandere ich jetzt schon jeden Tag einige Etappen mit dem Finger auf der Karte und der Wegbeschreibung aus den Guidebooks. Irgendwie wird mir der Weg auf diese Art etwas vertrauter, ohne den Überraschungseffekt der Realität zu verlieren und ich kann schon jetzt – nur beim Lesen – sagen, Kalifornien zieht sich! Alleine schon in Gedanken jeden Tag die Karten und das Buch in die Hand zu nehmen und die Wanderung nur virtuell zu gehen ist schon ziemlich anstrengend, obwohl meine Synapsen noch fröhlich die Anstiege hinaufdüsen und meilenweit ohne Durst und körperliche Anstrengung gehen.
Mein körperliches Training ist im Gegensatz dazu minimal – nur ein, zweimal pro Woche trage ich mit dem Rucksack 12 kg Katzenstreu gut 400 Höhenmeter den Berg hinauf und wieder hinunter, den Rest an körperlicher Konditionierung werde ich mir über die ersten Wochen auf dem Trail langsam aufbauen.
Interessant finde ich auch, dass ich zwar etwas ungeduldig bin, endlich zu starten, aber nicht wirklich aufgeregt. Vielleicht ist es einfach die Erfahrung, dass ich meine Energie wie ein altes Rennpferd nicht mehr wie die Jungen vor und in der Startbox vergeude sondern erst, nach dem Start.
Zuletzt packe ich in diesen letzten Wochen noch mein unbeschwertes emotionales Gepäck – jede freie Minute ist meiner Familie und meinen Katzen in fröhlichem Nichtstun gewidmet. Die grösste emotionale Last ist mir, meine kleine Boygroup alleine zu lassen. Ich bin meinen Eltern dankbar, dass sie meine Katzen die nächsten Monate gut versorgen.
Absolut ultraleichtes Gepäck, das ich in grosser Menge dabei habe sind alle guten Wünsche – die brauchen weder Platz noch noch haben sie Gewicht!
Neben den guten Wünsche habe ich inzwischen auch ein paar Sponsoren für meine Wanderung:
Alle voran mein Osteopath und Masseur Werner Steiner hier in Krems: Er hat mir mein verzogenes Fahrgestell noch kurz vor dem Start eingerichtet und nach meiner Rückkehr darf ich dann für einen Pit Stop vorbeikommen, für allfällige Reparaturen.
Meine Eltern, die meine beiden Kater für die nächsten Monate versorgen. Und mich die letzten drei Wochen mit einem Kalorienüberschuss versorgen, von dem ich unterwegs zehren kann.
Meiner Kollegin Daniela Slavik-Malleczek, die mir für meine dauerkalten Pfoten eigenhändig ultraleichte Pulswärmer gestrickt hat, noch bis zum letzten Moment Kost und Logis bietet und einen kleinen Teil meines Betriebs weiterführt.
DANKE euch allen für die Unterstützung! Dieses emotionale Sponsoring ist mir viel mehr wert als eine geschenkte Sonnenbrille oder ein Paar Socken – es ist unbezahlbar!
Liebe Sabine
Nachdem ich von dir über den PCT erfahren habe, habe ich auch schon das erste Buch darüber gelesen.
Mir gefällte auch deine Art zu schreiben und so habe ich alle deine Bücher mit viel Freude gelesen.
Freue mich über jede Nachricht die ich hier finden kann und werde dich gedanklich auch begleiten.
Wünsche dir alles Gute und mögen sich deine Träume wieder erfüllen.
liebe Grüße, arthur
Von mir alles, alles Gute und viel Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit! Ich freue mich schon auf jeden Bericht.
Gruß hikingharry
Liebe Frau Schroll,
ich wünsch Ihnen nur das Beste für Ihre Wanderung!! Ich bin schon auf Ihre Erlebnisse und Eindrücke gespannt.
Gans liebe Grüß, Gans Alex
Liebe Sabine,
ich hatte an einem Abend im März die Ehre, dich in gemütlicher Runde um ein Feuer sitzend kennenzulernen und deinen Erzählungen zu lauschen. Seitdem habe ich hier gespannt deine Vorbereitungen mitverfolgt.
Ich habe den größten Respekt vor deinen Abenteuern und wünsche dir für dieses alles, alles Gute – was man halt so braucht: gesunde Knie, halbwegs angenehmes Wetter, gute Nerven, eine freundlich gesinnte Natur, …
Und viele andere Dinge, von denen ich keine Ahnung habe 😉
Koste die Erfahrung mit allen Sinnen aus und komm gut wieder zurück!
Gute Reise,
Andrea
Liebe Sabine, ich freu mich drauf, ab und zu von dir und deiner „Leidenschaft“ zu lesen und bin in Gedanken bei dir! Du weißt: Ich bin ein kleines bisschen neidisch auf so eine tolle Reise:-)
Liebe Grüße und viel Spaß
Henrik
P.S. Bei deinem letzten Vortrag in BB hab ich viel über die Senioren gelernt! Danke! (Ich hab hier ein ganzes Altenheim voll davon und sie haben nun noch mehr Verständnis von mir:-)