14.8.
Heute wollte ich ursprünglich zu einem der Nachbarseen des Amitsorsuaq gehen, um dort eine Runde zu paddeln. Aber dann liegt der grosse See so dermassen spiegelglatt vor mir, dass ich beschliesse die Einladung anzunehmen und gleich hier zu paddeln.
Als ich startklar bin kommen zwei Deutsche mit richtig schweren Rucksäcken und erzählen mir, dass sie schon einen Teil ihres Futter-Überschusses für andere Wanderer in der Hütte Kattifik gelassen haben. Da freu ich mich doch über Abwechslung!
Es ist beinahe wolkenlos und der See liegt atemberaubend still und spiegelglatt vor mir. Ich traue mich fast nicht zu paddeln, weil meine Wellen Unruhe verursachen. Kurz nach dem Start überholt mich die deutsche Familie, die am Ende des Sees gecampt hat und neben dem Kanu auch noch richtige Paddel und sogar Schwimmwesten vorgefunden hat.
Das Wasser ist glasklar und ich kann bis auf den Grund sehen, ohne auch nur im Entferntesten abschätzen zu können wie tief es hier ist. In der Nähe ist die scharfe Grenze zwischen Landschaft und ihrem ebenso klaren intensiven Spiegelbild zu erkennen, aber am Horizont fliessen der See und die Landschaft ineinander. Die Weitsicht in der klaren Luft und weiten Landschaft ist unbeschreiblich, übertrifft die Auflösungsmöglichkeiten des menschlichen Auges lange bevor ein anderes Sichthindernis auftaucht.
Unglaubliche zwei Stunden paddle ich in dieser absoluten Stille bis ein leichter Wind aufkommt und die Seeoberfläche unscharf wird. Im Wasser sehe ich dann auch noch die Spiegelung eines Halo, der wie ein umgekehrter Regenbogen um die Sonne steht.
Nach einer gemeinsamen Pause nach ungefähr der halben Paddelstrecke beschliesse ich auf Höhe der Insel den See zu überqueren und der eingezeichneten Kanuroute am gegenüberliegenden Nordufer des Amitsorsuaq zu folgen, während die deutsche Familie am rechten Ufer bleibt und zu dritt natürlich viel zügiger vorankommt.
Über einen Kilometer muss ich auf der offenen Wasserfläche paddeln bis ich auf der anderen Seite ankomme. Gegen Ende beginne ich meine Paddelschläge meditativ zu zählen, weil sich an der Entfernung zum anderen Ufer so rein gar nichts zu ändern scheint, obwohl es doch so nahe wirkt und klar vor mir liegt!
Nach und nach kommt immer mehr Wind auf. Über mir erheben sich riesige Felswände und geben in unterschiedlichsten Farben und Formationen Einblick in die Erdgeschichte. Und davor krieche ich wie ein unscheinbarer Fliegendreck in meiner winzigkleinen Gummiente ganz nahe am Ufer entlang.
Schön langsam werden meine Arme und Schultern müde nach 7 Stunden paddeln. Ich kann die Hütte Kattifik inzwischen zwar schon als kleinen roten Legostein am Ende des Sees erkennen, aber bis dahin sind es immer noch einige Kilometer zu paddeln – und der Wind arbeitet immer unangenehmer gegen mich. Irgendwann reicht es mir und nach Umrundung eines kleinen Landvorsprungs lege ich an, packe mein Boot zusammen und beginne wieder mit dem Fussmarsch. Wie schön ist diese Abwechslung nach rund 17km Paddelstrecke auf breiten ausgetretenen Rentier Trails zu gehen. Nach knapp einer Stunde komme ich an der Hütte Kattifik an. Der Abend ist schön sonnig und so baue ich mein Tarp etwas abseits der Hütte am Seeufer auf.
15.8.
Wieder ein sonniger Morgen, blauer Himmel – aber es ist soweit! Die Luft ist klar und frisch, aber es ist dieser einzigartige Moment, der jedes Jahr wiederkommt, wo ich tief Luft hole und erkenne: Herbst. Ab diesem Zeitpunkt – lange vor Equinox, egal wie viele sonnig-warme Tage es noch gibt – ist der Sommer für dieses Jahr endgültig und unwiderruflich vorbei.
Da ich noch viel Zeit habe, beschliesse ich heute einen kleinen Ausflug auf einen Berg mit 502 m im Osten der Hütte zu unternehmen. Mit dem Kompass peile ich den unsichtbaren Gipfel an und los geht es, ganz ohne Rucksack. Zuerst folge ich einem Wintertrail und dem Bach, der vom Fjäll kommt. Nur gut, dass mir der Kompass die Richtung vorgibt, denn hier in der Höhe ist es völlig unübersichtlich. Nach ein paar Umwegen um kleine Seen, Sumpfstellen und Anhöhen wüsste ich ohne Kompass nicht mehr in welche Richtung es weitergeht.
Nach 5 Viertelstunden bin ich schon ganz oben. Der Berg ist allerdings gar kein richtiger Gipfel sondern eher ein Plateau – aber die Aussicht ist bei diesem sonnigen Wetter fantastisch! Fast den ganzen Söndreström Fjord in den verschiedensten Türkistönen kann ich überblicken. Kangerlussuaq und dahinter leuchtet das Inlandseis. In den anderen Richtungen gibt es Berge und noch mehr Berge, einige Gletscher und dahinter … Berge. Während ich auf einem Felsen sitze, die Landschaft bestaune und jausne sehe ich ein Rentier, das meinen Spuren mit der Nase am Boden folgt wie ein Hund. Immer näher kommt er und streckt schliesslich seine feuchtglänzende Nase flehmend in die Luft.
Nach einer Pause suche ich mir wieder meinen Weg zurück – gut, dass ich mir vorher noch mein Ziel angepeilt habe. Beim Abstieg nehme ich den linken Bach und muss durch eine kleine Schlucht klettern – dem rechten Bach zu folgen ist eindeutig die leichtere Variante auf dem Weg zum Berg 502. Die Spot Messenger-OK-Meldung, die ich von diesem Punkt bei klarem Himmel losgeschickt habe, ist (wie einige andere auch) allerdings nie angekommen …
Bis in den Nachmittag hinein mache ich eine Mittagspause an der Kattifik, inzwischen kommt noch eine deutsche Vierer-Wanderguppe vorbei und macht auch hier Rast. Um 1630 breche ich auf und habe den auf der Karte verzeichneten Zeltplatz zwischen den beiden Seen als Ziel im Auge. Aber den finde ich weder schön noch hat er irgendetwas Ähnliches wie Windschutz zu bieten, daher wandere ich weiter. Wieder geht es einen kleinen Hügel hinauf und an einem der nächsten Seen finde ich mir eine kleine windgeschützte Mulde in der Tundra über die ich mein Tarp spanne. Das leicht aufgeblasene Packraft begrenzt meinen Schlafplatz im unebenen aber weichen Untergrund. Holz gibt es genug und zwischen den Steinen richte ich mir eine kleine windgeschützte Küche ein.
In der Nacht liegt dichter Nebel über dem kleinen See und zahlreiche Enten veranstalten eine laute Diskussionsrunde. Sehen kann ich sie leider nicht, denn inzwischen wird es in der Nacht auch schon für ein paar Stunden ziemlich dunkel.
16.8.
Der Nebel über dem See hat sich natürlich auch als Kondens innen und aussen auf meinem Tarp niedergeschlagen. Mit Steinen beschwert lege ich Tarp und Schlafsack in der Morgensonne zum Trocknen auf. Leider finde ich in der Früh den gestrigen Zugang zum See auf festem Boden nicht mehr und versinke beim Wasserholen prompt im Sumpf und stehe mit beiden Füssen bis zum Knöchel im kalten Wasser.
Nach dem Frühstück ist alles wieder trocken, zusammengepackt und es geht an die letzte Etappe des ACT. Wieder einmal bin ich etwas vom Weg abgekommen – das muss wohl in meiner Natur liegen – und wandere auf einem Rentiertrail weiter. Da bewegt sich zwischen den Felsen etwas kleines Braunes. Das kann nur ein Polarfuchs sein, es gibt hier ausser den weissen Schneehasen keine anderen kleinen Tiere mit vier Pfoten. Meine Freude ist gross, ich war schon ganz ungeduldig endlich einen Fuchs zu sehen. Schnell lege ich den Rucksack und die Stöcke ab und nähere mich vorsichtig der kleinen Felsnische, in der der Fuchs verschwunden ist. Obwohl ich ihn nicht direkt sehen kann muss er noch da drinnen sitzen. Zeit habe ich genug, die Sonne scheint auch – dann setze ich mich eben in entsprechendem Abstand hin und warte, irgendwann muss er ja wieder rauskommen und dann hat er gleich einen Fototermin. An einem Felsen angelehnt mache ich es mir bequem und wenige Meter entfernt, etwas oberhalb von mir macht es sich der kleine Fuchs bequem. Wir warten … jeder weiss vom anderen, dass er da ist. Nur die kleine Nase ragt aus dem Felsspalt und bewegt sich manchmal, der Rest des Körpers ist im Schatten unsichtbar. Nach einer Stunde werden wir beide ungeduldig – der Fuchs bewegt sich immer mehr und ich überlege, ob ich mich nicht doch näher heranpirschen soll. Die Entscheidung macht er mir leichter, indem er kurz den Kopf heraussteckt und dann laufen wir beide los. An der Felskante bleibt er noch einmal stehen, mustert mich und ich darf noch ein paar Bilder machen, bevor er wegläuft.
Am letzten Süsswassersee bevor die drei Salzwasserseen kommen mache ich noch eine Mittagspause mit Tee und den letzten Futterresten. Und wieder einmal gibt es eine Ehrenrunde abseits vom Trail, diesmal auf Moschusochsenpfaden, bis ich endlich um 1615 an der Strasse in Kellyville und dem Ende des ACT ankomme.
Bis zur eindrucksvollen Antenne komme ich auf der Strasse, denn schon nach einer Viertelstunde habe ich einen Lift nach Kangerlussuaq mit zwei Feuerwehrmännern aus Sisimiut. Die beiden setzen mich vor dem Flughafen ab. Zur Belohnung gibt es dann am Campingplatz – eine heisse Dusche und ein kühles Bier!
17.8.
Ich stehe spät auf und trinke Tee in der Sonne, habe wieder etwas zum Lesen gefunden. In der Container-Küchenbaracke helfe ich beim Saubermachen und sortiere die ganzen zurückgelassenen Vorräte. Gegen Mittag beschliesse ich doch noch eine weitere Nacht am Campingplatz in Kangerlussuaq zu bleiben und dann erst endgültig zum Grossen Weissen, dem Inlandeis aufzubrechen.
Am Nachmittag kommen noch Sebastian, John (mit dem ich gemeinsam am Schiff war) und ein deutsches Paar vom ACT an und wir haben einen lustigen Abend. Sebastian erzählt von seiner expeditionsähnlichen Tour mit dem Packraft und gibt mir Tourentips ohne Ende. Ich glaube aber ich bin nicht wirklich mutig genug sie umzusetzen …
18.8.
Nach dem Frühstück und Abschied von Sebastian und John breche ich Richtung Osten zum Inlandeis auf. Zuerst geht es auf der Schotterpiste an diesem berühmten Golfplatz vorbei, rechts von mir transportiert der Watson River rauschend unvorstellbar grosse Mengen an Schmelzwasser vom Inlandeis Richtung Fjord.
Es ist von der Seite sehr warm und von vorne kommt eisiger trockener Wind vom Eis herunter. An einem kleinen See mit Wochenendhaus mache ich eine Mittagspause, weil ich dringend Wasser brauche. Der kleine See ist zwar nicht so das beste Trinkwasser, das mir untergekommen ist, aber die Fische am Rand schwimmen in die Hand und sehen noch recht munter aus. Auf dem Weg zum Eis liegt der Sugar Loaf, ein runder Hügel mit 353m. An der Abzweigung lege ich meinen Rucksack ins Gebüsch und starte zu meinem Abstecher. Die Aussicht ist herrlich – zum Eis, zum Wasserfall meinem nächsten Lokal- und Bereichsziel. Wieder ein kleines Stück auf der Strasse und an dieser Abzweigung zum Wasserfall nehme ich meinen Rucksack mit. Die zementgrauen, schon beinahe breiartig aussehenden Wassermassen zwängen sich hier zwischen den Felsen durch und verbreiten einen eisigkalten Hauch. Davon haben direkt am Ufer die Pflanzen schon alle ihren schönen Herbstfarben von gelb über orange bis tiefrot.
Gegen 1600 wandere ich wieder auf der Schotterpiste und zum ersten Mal fühlen sich meine Zehen vom feinen Staub danach an als wollten sie Blasen machen. Kilometer um Kilometer geht es durch das Sandflugtdalen, das seinen Namen wirklich verdient. Eine arktische Wüste breitet sich vor mir aus, der eisige Wind transportiert den Staub vom Gletscher je nach Intensität mehr oder weniger weit. Einzige Abwechslung ist ein Flugzeugwrack am Wegrand – bekommt man bei uns ja auch nicht alle Tage zu sehen, und wenn dann wäre es ganz schnell weggeräumt.
Die einzigen Autos, die ich sehe, kommen mir entgegen also pflege ich meinen meditativen Marsch durch den Sand. Wasser ist das erste Mal ein Thema und so sind es beinahe 35km bis ich um 1830 an einen See komme. Erst im vierten Anlauf kann ich mich endlich entschliessen, dass dieser Platz zum Schlafen gut genug ist.
Diese mangelnde Entschlussfähigkeit ist ebenso Zeichen von Müdigkeit und Energiemangel wie meine elende Stimmung. Der beständige eisige Wind zehrt an mir, macht Kopfweh und setzt sich bis in die Knochen fest. Auf dem Bushbuddy koche ich mir mit dem reichlich vorhandenen Treibholz vom Seeufer meine Spaghetti mit Chilipesto und warte, dass sich meine Stimmung mit dem Blutzuckerspiegel wieder hebt. Die unweigerlichen Fragen was tue ich eigentlich hier und vor allem was tue ich hier noch die nächsten zwölf Tage tauchen auf.
Der Gedanke, dass ich meinen Flug umbuchen könnte tröstet mich und baut mich wieder einigermassen auf. Zum Schlafengehen ist es zu früh und weil mir nach Gesellschaft ist mache ich noch einen kleinen Abendspaziergang auf die andere Seite des Hügels, zu einer Gruppe von Grönländern, die dort ihr Camp eingerichtet hat. Schon aus der Entfernung werde ich neugierig empfangen – es ist eine Gruppe von dreizehn Behinderten mit ihren sechs Betreuern, die hier ein herbstliches Jagd- und Urlaubscamp haben. Ich interessiere mich für die jagdlichen Erfolge und sie zeigen mir die Rentiere und den Moschusochsen, die sie geschossen haben. Alle liegen schon fein säuberlich in kleine Streifen geschnitten auf einem gespannten Netz, wo sie in der Luft trocknen. Ganz selbstverständlich bieten sie mir ein Stück zum Kosten an. Dann kommt eine kleine Frau zu mir, grinst mich weitgehend zahnlos an, streckt die Hand aus und sagt: Anna-Maria!
Das bricht einen Damm und die Befangenheit gegenüber dem Fremden, Unbekannten fällt von uns allen ab. Sie laden mich zur Geburtstagsfeier eines der Betreuer in ihr grosses Küchenzelt zu Tee und Keksen ein. Die wenigen Brocken englisch, ein paar gezeigte Familienbilder am Handy und der Versuch mir einige Worte Grönländisch beizubringen reichen für ein heiteres Abendprogramm für uns alle aus. Die Stimmung ist warm und herzlich und genau das, was ich an diesem Abend gebraucht habe. Dankbar verabschiede ich mich bis zum nächsten Morgen, wo mich mein Weiterweg zum Eis wieder vorbeiführen wird. Die Nacht in meiner Mulde ist kuschelig warm und obwohl es inzwischen Mitte August vorbei ist immer noch völlig frostfrei!
19.8.
Ausgeruht und in gespannter Erwartung breche ich gegen 1000 Richtung Russels Glacier auf. Bis zu dem Punkt wo ich auf das Inlandeis gehen kann sind es immer noch rund 15km. Die Jagdtruppe der Grönländer ist natürlich schon lange unterwegs, ich habe sie am frühen Morgen mit ihrem Motorboot über den See fahren gehört.
Von der Strasse zweigt der kleine Trail ab, der zum Gletscher führt und bald stehe ich am Rand des Inlandeises, der hohen Abbruchkante des Russels Glacier. Die Grenze zwischen den frischen Felsen, die geologisch gesehen noch vor einem Moment von Eis bedeckt waren und den schon mit Bakterien, Flechten besiedelten Felsen ist beeindruckend. Hier ist wirklich ein Punkt, an dem sich die Erde in völligem Rohzustand (im RAW-Format) befindet, unbearbeitet, unentwickelt und unbenutzt.
Mir ist es leider zu kalt und zu windig, um hier länger zu bleiben. Mit dem Packraft überquere ich auf dem direkten Weg einen Gletschersee anstelle den langen Umweg rundherum zu nehmen. Das milchig trübe Wasser ist trotz der Isomatte von unten eisig und der Wind weht mir immer wieder die Wassertropfen vom Paddel ins Gesicht. Wieder geht es weiter auf der Schotterpiste Richtung Inlandeis, es fährt kein Auto in meine Richtung. Dann treffe ich einen Grönländer, der gerade zwei geschossene Rentiere in sein Auto verlädt. Ich frage ihn, in welche Richtung er weiterfährt und ob er mich mitnehmen würde. Ja – für ein kleines Stück möchte er noch weiter und dann wieder vom nächsten Tal aus auf die Jagd nach Rentieren gehen. Er spricht ganz gut englisch und ist weit gereist, auch in Österreich zum Schi fahren.
Nach rund 4 Kilometern steige ich wieder aus – immerhin eine Stunde weniger auf der Staubpiste. Es geht noch einmal bergauf, der Zugang zum Inlandeis ist auf über 500m, es wird merklich zunehmend kälter und windiger. Es gibt wunderschöne Ausblicke auf das Eis mit der bunten Herbstlandschaft davor.
Neben der Strasse steht ein Bagger, mit dem die Zufahrt zur Moräne immer wieder freigeschaufelt wird. Ich lasse meinen Rucksack liegen und steige über die Schotterberge zum Eis. Noch ein kleines Holzbrücklein über einen Schmelzwasserbach überquert – und dann stehe ich auf dem Grossen Weissen: Angekommen!
Vor mir liegen hunderte Kilometer Eis bis ganz auf die andere Seite von Grönland nichts als Eis. Es sieht so nahe am Schmelzrand nicht schön sondern nur dreckig schwarz aus, wie alter Schnee neben der Autobahn – alles total unromantisch. Und natürlich kalt, eisig-kalt und windig. Ein ungemütlicher Platz. Wieder bei meinem Rucksack mache ich eine kleine Mittagspause mit Trinkwasser, das direkt vom Gletscher kommt. Nicht sehr gut, aber interessant im Geschmack. In der Moräne finden sich viele verschiedene, frisch ans Licht der Sonne gebrachte farbenfrohe Steine, von denen ich einige als Andenken mitnehme.
Nach einer Weile kommt wie erhofft ein Auto und damit meine Mitfahrgelegenheit zurück nach Kangerlussuaq. Hier in der Nähe des Eises gefällt es mir so gar nicht um die ursprünglich geplante weitere Tour zu einem Aussichtsberg 581 zu unternehmen. Ein tasmanisches Wissenschaftlerpaar ist erst gestern nach einigen Monaten Forschungsarbeit vom Inlandeis zurückgeflogen und macht einen Ausflug an den Rand des Eises. Die beiden finden die milden Temperaturen im Gegensatz zu mir natürlich urgemütlich und sind mit Shorts und Sandalen unterwegs. Auf dem Rückweg machen wir noch einmal am Russels Gletscher halt von wo dann auch noch drei Tschechen mitkommen. Die drei haben den nächsthöheren Hardcore-Level erreicht, indem die sie Schotter-Sandpiste zum Inlandeis mit Mountainbikes befahren haben. Noch dazu sind es sind nicht 20km wie in Kangerlussuaq ganz harmlos auf dem Wegweiser angeführt sondern 39km bis zum Inlandeis! Wir sind alle zusammen glücklich und extrem dankbar für diesen grosszügigen Lift nach Kangerlussuaq.
Auf der Campsite baue ich wieder mein Zelt auf und überlege, was ich jetzt mit den verbleibenden zehn Tagen so tun soll, nachdem ich mein Ziel, das Grosse Weisse erreicht habe. Irgendwie reizt es mich nicht mehr für eine grössere Tour ins Gelände zu gehen, obwohl ich ausser dem einen Bullen immer noch keine Moschusochsen aus der Nähe gesehen habe. Bleiben wohl nur Nichtstun und Tagestouren.
20.8.
In den frühen Morgenstunden dämmert mir eine neue Idee – ich könnte doch den ACT auch noch in der anderen Richtung gehen …