Auf dem Weg zum Grossen Weissen und zurück (III)

Abendsonne über dem Eisfjord

Um 0945 ist die Abfahrt mit der „Luffe“, einem alten Fischkutter nach Rodebay. Gemeinsam mit einem deutschen Paar und einer dänisch-grönländischen Familie auf dem Schiff geht es  aufs Meer hinaus.

31.7.

Die Wolken hängen tief, es hat in der Nacht geregnet und es geht immer noch ein ziemlich frischer Wind. Nichtsdestotrotz ist es schön in Decken eingemummt an Deck zu sitzen und meinen zurückgelegten Weg von einer anderen Perspektive vom Meer aus zu sehen.

Bei meiner zweiten Sight Seeing Rundtour in Rodebay schaue ich einem alten Mann zu wie er am Ufer Eisblöcke sammelt und im Nylonsack nach Hause transportiert. Es gibt auf diesen Felsen hier kein anderes Trinkwasser als die Eisbergreste, die angespült werden. Die Bootsbesitzer fahren mit Kanistern auch 2,5km in die Bucht hinein, wo der Fluss in dessen sumpfigem Tal ich schon gewandert bin, ins Meer mündet.

Trinkwasserversorgung in Rodebay: Eisberge

Nachdem es kalt und ungemütlich ist treffen wir uns bald wieder im Restaurant H8, dort gibt es einen Abenteuertrip der besonderen Art: Fischplatte. Alles was es so in der Region gibt zum Ausprobieren in kleinen Portionen, geräuchert, getrocknet, gebraten – Dorsch, Lachs, Heilbutt, Shrimps, Garnelen, eine ganz kleine Lachsart (deren Namen ich vergessen habe, strandet im Juni und wird einfach mit Kübeln eingesammelt) und ein paar kleine Stückchen Walfleisch und Walhaut (mattak). Das Restaurant hat seinen seltsamen Namen noch aus den Zeiten, als sich die amerikanischen Piloten nur an den auf dem Dach eines Hauses befindlichen Buchstabe/Zahl-Kombination orientieren und jeweilige Ortschaft dadurch identifizieren konnten. (Ilulissat war H7).

Auch die Rückfahrt ist es nicht wesentlich wärmer, immer noch alles grau in grau.

Abenteuertrip Fischplatte!

Vom Hafen wandere ich zur Campsite und suche ich mir einen Platz. Inzwischen ist doch noch die Sonne aufgetaucht und ich mache es mir mit einem Buch und Tee gemütlich. Das Packraft erweist sich als multifunktionell und gibt einen perfekten Liegestuhl ab! Später wandere ich wieder zum Eisfjord hinunter – dort hängt heute der Seenebel zwischen den Eisbergen und mit der Abendsonne gibt das ein fantastisches Bild ab. Wie eine verzauberte Märchenlandschaft liegen die riesigen Eisberge da. Das Tauwasser plätschert dauernd und immer wieder kracht irgendwo ein Stück ins Meer. Das Licht verändert sich von Minute zu Minute und auf den Hügeln in der Umgebung haben sich schon jede Menge Fotografen mit ihren Stativen positioniert. Ich kann auch gar nicht aufhören Bilder zu machen …

Seenebel im Eisfjord

Märchenschlösser

... noch mehr

Faszinierendes Spiel von Licht und Eis

Eisberge

Perfekter Spiegel - atemberaubende Stille

1.8.

Ich mache mir einen gemütlichen Vormittag in der Sonne, denn erst um 1700 geht mein Schiff nach Sisimiut, ab 1600 ist Check-In. Den Rest des Tages verbringe ich mit Beobachtungen im Hafen und dann im Kunstmuseum von Ilulissat.

Das Check-In Häuschen wird vom Schiff, das schon im Hafen liegt, abgeladen und mit einfachem Baustellengitter abgegrenzt. Beim Einchecken bekomme ich meinen Bettplatz für die 17stündige Fahrt zugewiesen und deponiere meine Sachen dort. Es gibt richtig viel Platz – sogar auf den billigen Plätzen! Als schliesslich alle Passagiere abgefertigt sind wird das Büro-Häuschen mit dem Kran wieder aufs Schiff gepackt.

Schiff nach Sisimiut

Letzter Bick auf den Eisfjord - jetzt geht es Richtung Süden!

Bei der Fahrt Richtung Süden geht es am Eisfjord vorbei – und da sind sie – die Buckelwale. Die letzten Tage waren keine da, aber nun tauchen zwischen den Eisbergen zwei Wale auf! An Deck ist es vom Fahrtwind und den nahen Eisbergen eisig kalt und so hole ich mir eine Flasche Carlsberg in der Cafeteria des Schiffs und mache es mir an meinem Liegeplatz gemütlich, schlafe ein. Gegen 2200 legt das Schiff in Asiaat an und das Häuschen wird wieder abgeladen – sehr unterhaltsam und unbedingt zu empfehlen diese Schiffspassage! Mit einer Verspätung von einer Stunde legen wir in Asiaat wieder ab und es beginnt zu regnen.

2.8.

Um 0900 gibt es einen Weckruf vom Kapität und um 1000 kommen wir mit einstündiger Verspätung in Sisimiut an. Ähnlich wie in Asien nimmt das mit der Zeit hier keiner so ganz genau – es gibt eben genug Gründe mehr auf die Natur und nicht so auf die Uhr zu horchen.

Es regnet immer noch und es geht der Wind, das heisst es ist ziemlich kalt und ungemütlich – und Sisimiut ist mir so im ersten Eindruck gar nicht sympathisch.

Regen und Nebel in Sisimiut

Nach einer kurzen Orientierungsphase gehe ich als erstes einmal zur Polizei (Politi), um mich wegen einer Angellizenz für die nächsten vier Wochen auf dem Arctic Circle Trail (ACT) zu erkundigen. Alle auf der Station sehen mich erstaunt und gross an … und schicken mich zur Kommune. Bei der Kommune – die gleichen erstaunten Gesichter bis ein Däne kommt, mich betrachtet und mir erklärt, dass ich so was nicht brauche. Ich soll einfach rausgehen und Fische fangen. Das ist zwar nicht vollkommen richtig, aber als Wanderer mit ein paar Angelambitionen zählt man hier offensichtlich nicht zu den richtigen Fischern und ausserdem gibt es vermutlich niemanden, der das überhaupt kontrolliert.

Für alle, die doch eine Lizenz wollen: hier gibt es die Angellizenz

Dann gehe ich in den Supermarkt und kaufe mir einen Zitronenkuchen als Frühstück, Müsli und endlich Spiritus. Den gibt es im Pissifik zwar nicht im Regal, aber wenn man an der Kassa fragt, rücken sie ihn gerne raus.

Im kalten Regen, der mir zeitweise horizontal entgegenkommt wandere ich aus der Stadt hinaus in Richtung Campsite. Die ganze Welt sieht für mich im Moment wenig einladend aus, tiefhängende Wolken, nass-kalt, meine Stimmung ist die letzten Tage schon nicht so überschwänglich, aber jetzt ganz weit unten und so mache ich hinter der Campsite nur eine kurze Pause im Regenschutz unter einem Felsen und mampfe meinen Zitronenkuchen in mich hinein, überdenke meine Lage. Danach fällt mir der Entschluss nicht im Zelt hier draussen im Wind sondern im Sisimiut Vandrehjem zu schlafen ganz leicht. Am Rückweg in die Stadt treffe ich noch eine Gruppe von Studenten, die sich für ein Projekt „Erneuerbare Energien“ in Grönland zusammengefunden haben und vor dem Arbeitsbeginn noch eine kleine Wanderung in die Umgebung machen. Wir jausnen in einer kleinen Hütte am Wegrand und unterhalten uns. Mit dem optimierten Blutzucker und etwas aufgewärmt von der windgeschützten Pause in der Unterstandshütte gehe ich motiviert in die Stadt zurück und zum Youth Hostel. Das hat natürlich noch bis 1600 geschlossen und es ist gerade einmal Mittag vorbei.

Doch Regula, die nach dem ACT und vor der Heimreise hier einen Ruhetag macht, lässt mich ein und so kann ich in der warmen Küche warten bis Erik, der Besitzer, um 1600 kommt und ich einchecken kann. Für nur 175 DK ist das Sisimiut Vandrehjem mit Abstand die schönste und günstigste Übernachtungsmöglichkeit, die ich in Grönland gefunden habe. Die Küche ist modern eingerichtet und super sauber wie der Rest des Vandrehjems auch.

Die gute Nachricht: Ab Sommer 2011 wird es in Kangerlussuaq auch ein Vandrehjem geben! Erik ist gerade dabei eine alte amerikanische Baracke zu sanieren und mit einem ähnlichen Standard wie sein Vandrehjem in Sisimiut einzurichten.

Am Abend gehen Regula, Manfred und Ilona, die auch im Vandrehjem wohnen und ich gemeinsam essen und unsere Wahl fällt auf … thailändisch. Das klingt jetzt vielleicht etwas skurril in Grönland thailändisch essen zu gehen, aber das Lokal am Hafen sieht nett aus und die ausgehängte Speisekarte sieht sehr vielversprechend aus. Wo hat man denn sonst noch die Möglichkeit Thai-Rentiercurry oder ähnliches zu essen? Leider stellt sich dann heraus, dass ein Grossteil der lokalen Fleischsorten wie Ren oder Moschusochse grade aus sind. Doch das rote Dorschcurry schmeckt ausgezeichnet und beim Bier entwickeln wir noch mit viel Spass einen Plot für den ultimativen Grönlandkrimi. Details können wir leider noch keine veröffentlichen …

Museum und Kirche in Sisimiut

3.8.

Das Wetter sieht heute besser aus, die Wolken hängen zwar noch sehr tief, aber es regnet nicht mehr und so beschliesse ich eine kleine 3-Tagestour im Umland von Sisimiut zu machen. Eigentlich würde ich ja gerne auf den Nasaasaaq, einen über 700m hohen schroffen Berg steigen. Nur wirklich einladend sieht das Ganze bei Wolken, die ihm bis zur Mitte hängen nicht aus und bei feuchtem Gestein ist es auch nicht empfehlenswert. Einige Wochen später am Rückweg vom ACT kann ich dann in unmittelbarer Nähe einen Felssturz von einem dieser steilen erodierten Schutthänge beobachten.

Ein bisschen Sonne kommt durch!

Weil ich in Wirklichkeit ja schon ziemlich ungeduldig bin endlich auf den ACT zu kommen, beginne ich meine Wanderung am späteren Vormittag auch hier. An der Furt mache ich eine wenig gemütliche Mittagspause hinter einem Felsen. Nach dem Furten (Wasser geht nur bis zum Sockenrand!) und vor dem Anstieg ins Fjell biege ich jedoch rechts ins Gelände ab und wandere in dichten Wolken, die immer nur zwischendurch Fenster aufmachen auf einen Pass, der auf der Karte als Aussichtspunkt beschrieben ist. Wieder einmal muss ich mit dem GPS meinen Standort bestimmen und dann gibt mir nur der Kompass die Richtung vor, mit der Aussicht ist es leider nichts. An einer Felskante sehe ich den ersten – schokobraunen – Polarfuchs als Silhouette gegen den nebligen Hintergrund. Er springt von Fels zu Fels und setzt sich dann sogar eine Weile hin um mich gleichfalls zu beobachten.

Den Abstieg von gut 300 HM in das verlassene Dorf an der Küste unter dem Pass spare ich mir und gehe wieder zurück zu meinem Ausgangspunkt am Fluss und Richtung ACT. Nach über 2 Stunden auf dem Tundraboden, der wie ein wattegepolstertes Trampolin bei jedem Schritt nachgibt ist das Gehen auf dem Trail ein richtiger Genuss, selbst wenn es steil bergauf geht. So richtige Höhenmeter gibt es auf dem ganzen ACT aber nicht zu bewältigen und bald bin ich auf dem Plateau mit rund 450 m. Lange Pausen sind nicht drin, weil mir schnell zu kalt wird, also bleibt mir nur eines – weitergehen. Der Ausblick über den Fjord ist auch wolkenverhangen schön – mit vielen weissen Schaumkronen auf dem Meer. Der Weg am Fjord entlang sieht so übersichtlich aus – und doch zieht er sich. Was auf den ersten Blick aus der Ferne wie eine einfache Hangwanderung aussieht ist mit vielen kleineren und vor allem grösseren Einschnitten und Schluchten mit Bächen durchsetzt, wenn man in die Nähe kommt. Gegen 2000 bin ich schön langsam richtig müde und baue ich mir hinter einem Felsen auf dem einzigen kleinen ebenen Stück, das ich finden kann mein Tarp auf und beschliesse den Tag mit meiner selbstgetrockneten Pasta Bolognese.

Der einzige ebene Platz, nahe am Trail

Kangerluarsuuk Tulleq in der Morgensonne

4.8.

Bis zur ersten Hütte Kangerluarsuk Tulleq ist der Weg nicht mehr weit und dort mache ich meine erste Rast. Dann steige ich querfeldein zur zweiten Hütte direkt am Fjord ab. Die ist erschreckend verdreckt und stinkt nach Dingen, die ich gar nicht im einzelnen identifizieren wollte.  Auf der anderen Seite des Flusses hat eine grönländische Familie ein kleines Fischcamp eingerichtet – die bisherige Ausbeute ist schon auf den Gestellen zum Trocknen aufgehängt. Wir winken uns, aber für einen Besuch müsste ich den reissenden Fluss überqueren oder in den Fjord hinauspaddeln. Ich bleibe daher auf meiner Seite des Flusses und wandere aufwärts auf der Suche nach ein paar guten Stellen meine ultraleichte Tenkara Angel auszuprobieren.

Ein paar kleine Gletschereste gibt es hier noch

Langsam kommt die Sonne hervor und ich lege meinen Rucksack an einem Rastplatz ab. Völlig ahnungslos wie ich in Sachen Angeln bin, werfe ich meine Fliege an einer Stelle aus, die mir ganz gut erscheint, ein kleiner Pool nach einer Stromschnelle. Und siehe da, einige grosse Fische schnappen danach, springen sogar teilweise aus dem Wasser, aber anbeissen tut keiner. Mit dem Wind ist das auch so ein Problem – irgendwie kommt er für meinen Standort aus der völlig falschen Richtung und verweht meine Fliege. Nach gut 2 Stunden am Fluss auf und ab, mit Nylonschnur aufdröseln, Fliege mehrfach aus dem Gebüsch befreien und immer noch ohne Fisch gebe ich auf. Neben der Hütte mache ich im Windschatten eine kurze Mittagspause und dann wandere ich wieder querfeldein zur kleinen Hütte, die am Hügel mit herrlicher Sicht über den Fjord steht.

Die kleine Hütte am Kangerluarsuuk Tulleq und der Blick auf den weiteren Weg im Verlauf des Tales

In der Sonne mache ich es mir mit einem Buch gemütlich – oder was ich eben so in Grönland als gemütlich bezeichnen würde. Der Wind und die Luft sind kalt, die Sonne gibt intensive Strahlungswärme: das Endergebnis ist wie beim Lagerfeuer – auf einer Seite zu kalt, auf der anderen zu warm.

Nicht so ganz warm ..

Ich verbringe die Nacht in der Hütte alleine, bei offener Tür – wenigstens ein bisschen outdoor.

5.8.

Heute wandere ich wieder zurück in Richtung Sisimiut. Zum einen habe ich insgesamt noch 28 Tage bis zu meinem Rückflug von Kangerlussuaq und wollte nicht zu früh dort sein und zum anderen wollte ich Erik aus dem Forum von trekking-ultraleicht treffen, der am 6.8. vom Trail in Sisimiut ankommen wollte. Irgendwie verpassen wir uns aber.

Morgennebel

In der Früh ist alles nass vom Nebel und kurz darauf ist alles wieder trocken

Die Nebelbank bleibt nicht lange

Nach rund 4 Stunden bin ich wieder über den Berg und an der Furt für eine ausgedehnte Mittagspause. Von dort aus gehe ich eine Variante des ACT rechts um den kleinen Berg (statt links wie der ACT). Es ist sehr schön, etwas abenteuerlich weil viel Sumpf und natürlich kein Weg. Gegen 1600 bin ich müde in Sisimiut an der Herberge. Ein Bett wird reserviert und dann geht es noch rechtzeitig vor 1800 ans Einkaufen – heute Abend gibt es Steak und Chips und ein kaltes Bier.

Teil 4

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

3 × 4 =

CAPTCHA *