Kennedy Meadows, Tag 42, Meile ~702

Gestern bin ich nach meinem ersten ~30 Meilen Tag abends in Kennedy Meadows angekommen. Sagenhaft wie locker sich auch noch gut 30 Meilen (48km) gehen, wenn man sie gut einteilt und auf die Fuesse achtet.
Einen Tag zuvor habe ich damit die 25% Marke ueberschritten, die Robert Banana Pants auf dem Trail gezeichnet hat. Die Freude ist gross und irgendwie habe ich gar nicht das Gefuehl schon 1130km gegangen zu sein – die laengste Strecke, die ich jemals am Stueck gegangen bin.
Ab Agua Dulce bin ich nach wie vor in meinem Rhythmus gegangen – vor Sonnenaufgang losgehen und bis ungefaehr 10-11 am Vormittag wandern. Dann kommt die grosse Siesta! Meistens an einer der Wasserstellen, Rucksack abstellen, Liegematte auflegen, Kopfpolster aufblasen, in den Bivy kriechen und eine Runde lesen und dann eine Runde schlafen. So gegen 14:00 bin ich dann ausgeruht, dann gibt es Mittagessen und Tee. Je nach Temperaturen geht es dann zwischen 3 und 6 wieder fuer 2-3 Stunden weiter. Damit komme ich ohne grosse Anstrengungen und sehr vergnueglich auf 20+ Meilen pro Tag. Mein Gehrhythmus unterscheidet sich offensichtlich auch so stark von anderen, dass ich beim Wandern so gut wie immer alleine bin, nur an den Wasserstellen gibt es natuerlich das grosse Treffen.

Jeder Tag birgt neue Ueberraschungen – es ist eigentlich nie langweilig, selbst wenn der Trail rein aeusserlich langweilig aussieht.

In der Frueh sehe ich oft verschiedene Tiere – sehr oft Hirsche, Kaninchen, California und Mountain Quails und natuerlich jede Menge anderer farbenfroher Voegel. Auf der Cameron Ridge hatte ich vor Sonnenaufgang eine lustige Begegnung mit einem Skunk: WaSabi wandert so tuedelidue heiter in den frischen Morgen, Skunk wandert ebenso in seinen Weg versunken tuedelituedelididue in meine Richtung bis er mich bemerkt und sofort mit senkrecht aufgestelltem Schwanz stehen bleibt. Oh oh – ich habe zwar den Fotoapparat schon fertig bin aber eher daran interessiert, den Abstand zwischen uns sehr schnell wieder zu vergroessern. Das reicht dem suessen Tierchen sich sofort umzudrehen und davon zu laufen – daher leider nur ein Suchbild vom Skunk.
Die letzten Meilen vor Kennedy Meadows habe ich noch zwei Schlangen innerhalb weniger Minuten gesehen: eine Kingsnake, auf die ich trotz ihres auffaelligen Ringelsockenmusters fast draufgestiegen waere und kurz darauf rasselt mich eine Klapperschlange von ihrem Versteck unter einem Stein gleich neben dem Trail an.

Neben den Tierbegegnungen gibt es aber auch Trail Magic im wahrsten Sinne: Montag frueh komme ich auf die Butterbredt Canyon Road, eine gottverlassene Staubstrasse in the middle of nowhere der Wueste und in dem Moment kommt ein Auto mit zwei Frauen vorbei. Sie bleiben stehen und fragen, ob ich alles habe, was ich brauche, ob sie was fuer mich tun koennen. Ich habe alles, was ich brauche – vielleicht ein zweites Set von Beinen koennte ich aber brauchen. Schliesslich geben sie mir zwei Aepfel und ich bekomme vor Freude stundenlang das Grinsen nicht aus dem Gesicht.
Daneben gibt es auch Ueberraschungen wie ein kuehles Bier und Abendessen am Walker Pass oder ein Korb mit kuehlen Getraenken im Chimney Creek.
Als PCT Hiker hat man hier beinahe einen Hero-Status und ganz viele Menschen bemuehen sich uns zu helfen, uns zu unterstuetzen und das harte Wanderleben leichter zu machen. Das zeigt sich vor allem in den hochgeschaetzten Water Caches, die das Wandern in der Wueste doch erheblich vereinfachen und die erforderliche Wassermenge im Rucksack reduzieren.
Eine wunderschoene – von vielen gefuerchtete Etappe – ist die Durchquerung der Mojave Wueste entlang des California Aquaeducts – ich fand sie einfach nur toll, hab sie aber in der Nacht gemacht.
Ueberhaupt – hab ich schon erwaehnt, dass es hier Wind gibt.  Also nicht so ein bisschen Wind halt, sondern WIND. Sechs Wochen lang immer Wind, mal mehr mal weniger, aber Wind. Windstill ist es eigentlich nur, wenn man ganz dringend ein Lueftchen brauchen koennte, weil in einem Canyon die heisse Luft steht. Und den staerksten Wind meines Lebens gab es von 4. bis 5. Juni – so stark, dass er mich aus dem Weg weht und auf die Boeschung setzt oder am Gehen hindert, war er oefter. Aber dass er mich mitsamt meinem vollen Rucksack einfach aushebt und umwirft, gab es nur einmal. Bergauf mit Rueckenwind war allerdings super – ich musste nur die Fuesse schnell genug bewegen, Schwerkraft war aufgehoben, ich bin bergauf geflogen. In der Nacht waren auch nennenswerte Wolken am Himmel, die sich aber ueber der Wueste sofort in Nichts aufgeloest haben.

Fuer die meisten Hiker ist die Wueste nur ein notwendiges Uebel oder ein Hindernis auf dem Weg in die High Sierra. Ich werde sie vermissen, noch lange habe ich nicht alle moeglichen Tierchen gesehen und die Temperaturen sind einfach perfekt!
Trotzdem freue ich mich auf die naechsten 240 Meilen im Hochgebirge! Abwechslung ist das ganze Leben.

Fazit und Highlights der letzten 6 Wochen und ueber tausend Kilometer in der Wueste:

  • 6 Wochen minus 1 Tag strahlend blauer Himmel und Sonnenschein bei ganz tollen Temperaturen von 10-37 Grad (nachts auch einmal zwischen 0 und 4), bei angenehmer Brise, mir war eigentlich nie wirklich kalt und nur ganz wenige Tage zu warm
  • Starkwind am Bird Spring Pass und Skinner Mountain
  • Gipfel von San Jacinto und Mt. Baden-Powell
  • Hot Springs von Deep Creek
  • Abstieg in die Badlands oberhalb des Cajon Passes (Interstate 15) mit der Modelleisenbahn-Landschaft und dem San Andreas Fault
  • Nachtwanderung auf dem Aquaeduct durch die Mojave Wueste
  • Super Vollmond am 5. Mai
  • Sonnenfinsternis am 20. Mai
  • Venus vor der Sonne am 5. Juni – eigentlich nur ein winziger schwarzer Punkt vor der Sonne, aber trotzdem … WOW
  • Superwind vom 4. auf 5. Juni
  • Jeder neue Sonnenaufgang
  • Begegnung mit einem Skunk

Und noch ein bisschen Info zu meinem Menueplan, mit dem ich bis jetzt sehr zufrieden bin:
Zum Fruehstueck gibt es eine Auswahl von verschiedenen hochwertigen Energieriegeln – Probar schlaegt sie alle, aber auch Clifbar, Kindbar, Nature Valley sind ok. Dazu gibt es als zweites und drittes Fruehstueck noch Trailmix aus Nuessen und Fruechten. Zum Trinken gibt es EmergenC Vitamine.

Zu mittag gibt es Buffet mit Beef Jerky, Chips oder Cracker (ab einem gewissen Zeitpunkt in Broeselform zum Loeffeln), ein Stueck Kaese (milder Cheddar) und als Highlight trage ich fuer ein paar Tage schweres Gemuese wie Karotten, gelben Paprika, Avocado und Orange mit. Die gibt es dann in dieser Reihenfolge – Paprika und Avocado koennen Platz tauschen. Es geht aber nichts ueber eine Orange am vierten Tag in der Wueste! Dazu gibt es Tee und als Dessert noch ein  bisschen Trailmix und Gummigetier. Wenn es kein Gemuese gibt, dann stehen Fruchtsuppe wie Blaubeersuppe oder Apfelsuppe mit Zimt am Programm, oder Pudding (Suesser Moment)
Abendessen ist a la carte:
eine Viererportion Puerree (Idahoan)
eine Doppelportion Maccaroni & Cheese (wenn geht Bio und mit white cheddar)
eine Portion Spaghetti mit rotem Pesto
alles jeweils mit grosszuegigen 5 El Olivenoel (bio)
Wenn ich dann noch Hunger haette, was eigentlich kaum der Fall ist, dann noch ein paar Bissen Marzipan.
Hunger habe ich nach wie keinen besonderen – vom hiker hunger bin ich weit entfernt. Es ist gerade ausreichend, um das alles zu essen und auf meinen Kalorienbedarf zu kommen – Gewicht ist jetzt ziemlich stabil, alles lean body mass 😉

Statistik Update
Blasen: 4 (verheilt), 2 kleine harmlose Zehenblasen sind mit der neuen Schuh- Sockenkombi kurzfristig aufgetaucht
Ibuprofenverbrauch in mg: 6400 (glaub ich zumindest) Es ist einfach zu schoen mit Ibu zu gehen …
Snickers: 0
Peanut Butter: 0
Klapperschlangen: 4,5 (4 erwachsene, ein Baby), 1 Kingsnake
Stuerze: 3x 0,1 (eigentlich nur ein Beinahe-Sturz), 1x  richtig auf losem Schutt ausgerutscht und hingefallen, 1 x gestolpert und der Laenge nach hingefallen – dass einen der Rucksack ueberholt inklusive, aber nichts passiert: 1x vom Wind umgeworfen
Verlaufen: 4 (nur ganz kurz, weil mich ein Hiker „gerettet“ hat), 1x beim Nachtwandern in der Mojave die Abzweigung verpasst und 15 min zu weit gegangen
Eidechsen: unzaehlbar, noch einmal soviele, und noch viel mehr und ein paar aussergewoehnliche dazu: ausserdem eine Paarung live erlebt
Skink: 1
Gecko: 1
Coyote: 1
Baer: 0
Skunk: 1
Dehydriert: 1
Maximal getragene Wassermenge: 4 (nach meiner Dursterfahrung bin ich etwas vorsichtiger geworden)
Verschlissene Socken: 2 Paar (man kann nie genug Socken haben)
Verschlissene Schuhe: 1 Paar
Gefaehrliche Tiere: 0 , leider auch kein Puma 🙁
Naechte indoor: 4
Naechte unterm Tarp: 5
Naechte unter freiem Himmel (Cowboycamping): alle anderen

Bilder gibts erst spaeter, weil das Internet hier die nicht derpackt … die naechsten zwei Wochen bin ich im OFF!

< zurück                                             > weiter

9 Kommentare

  1. Super Bericht! Klingt als würde es dir richtig gut gehen und du die Tour richtig genießen können. Ich hab schon jeden Tag wie wild auf F5 gehämmert um endlich wieder was lesen zu können. Wünsche dir viel Spass auf den nächsten Meilen!
    Grüße
    Timo

  2. Schon, dass Du wohlauf und in Geniessermodus bist! Gruesse aus Spanien!

  3. Danke fuers Feedback – mir gehts es wirklich gut, koerperlich wie psychisch!
    Tehachapi, mein letzter Stop, war leider an einem Freitag und da hat die Bibliothek mit Internet zu, alle anderen Computer in der Stadt kaputt …
    Ich hoffe, dass Geniessen geht weiter – im Moment noch auf der schattigen Terrasse des Kennedy Meadows General Store bei Oldies und Eis, vielleicht noch ein Double Cheeseburger – muss ich alles nicht tragen. Das restliche Futter fuer 12 Tage ist wohl im Baerenkanister verstaut und fuehlt sich auch gar nicht so schwer an, naja das ist wohl relativ 🙂

  4. Wow, jetzt hast du schon ein Viertel des Weges hinter dir! Nachdem dir die Wüste so gut gefallen hat, wird die Sierra bestimmt fantastisch. Wie hoch ist denn etwa dein Proviantgewicht pro Tag mit den ganzen Leckereien?
    Kaufst du bisher alles unterwegs oder hast du dir auch schon ein Proviantpaket geschickt?

    Ich wünsche dir weiter schöne Erlebnisse und eine gute Gesundheit

    Gerald

  5. Hallo Sabine ! Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich erst heute zum ersten Mal nachgelesen habe wie es Dir geht. In meinen Nachtschichten hab ich des öfteren an Dich gedacht, wie es Dir wohl geht, war mir aber sicher das Du das Alles im Griff hast. Denn , was man gerne tut, das macht man auch gut und darum hab ich mir eigentlich keine Sorgen um Dich gemacht. ,Du klingst fröhlich und zuversichtlich; ich freu mich für Dich das Du glücklich bist. Mir hier drückt das Regenwetter schon etwas auf,s Gemüt, war oft an den Wochenenden in Wildalpen auf der Salza, aber momentan kommt sogar mir zu viel Wasser von oben und hab dieses Wochenende nur Faulenzen auf dem Program. Max. an den See fahren und einige Rollen üben. Ich wünsch Dir weiterhin Alles Gute und viel Spaß. Liebe Grüße Kurt

  6. Ooooohhhh 🙁 ZWEI ganze Wochen off 🙁
    Dein Bericht bleibt grossartig zu lesen und ich freu mich riesig auf die Fortsetzung. Und das Wetter…..wow! Und ja: Neid! Die Trail Magic Geschichte ist wundervoll.
    Bin gespannt, ob Du in der High Sierra endlich den ersehnten Puma siehst 😀

    Lieben Gruss, Barbara

  7. Brigitte + Gerd

    Liebe Sabine, seit gestern sind wir im Bilde, dass du dich bereits seit 6 Wochen auf dem grossen Abenteuer PCT befindest. Mit grösstem Interesse lesen wir deine Berichte und sahen die schönen Fotos. Von Woche zu Woche hat sich deine körperliche fitness gesteigert und nachdem du deine Kräfte gezielt ausgibst und dir genügend Ruhe gönnst, wirst du das sicher weiter gut schaffen. Wir freuen uns schon auf die nächsten Schilderungen und wünschen dir weiter schöne Erlebnisse und unfallfreie Etappen.
    HG Brigitte + Gerd

  8. Hallo Sabi,

    verspäteten, aber herzlichen Glückwunsch zum ersten Viertel aus Ulm. Viel Glück in den Bergen!

    Go, Sabi, go!
    Ralph, Moni und Nogger the Patterdale

  9. Bin inzwischen in Mammoth Lakes und habe den groessten/hoechsten Teil der High Sierra Nevada und auch ein Drittel des Weges hinter mir -war super und nicht wirklich anstrengend. Die Meilen gehen sich einfach so, Gehen an sich ist nicht mehr anstrengend, ein paar Hoehenmeter auch nicht. Es wird eigentlich mit jedem Tag schoener!
    Essen brauche ich derzeit ca. 500-700g/Tag, viel Olivenoel. Einkaufen tu ich meistens hier, ich habe aber noch so ein paar Sachen von daheim wie Blaubeersuppe, Marzipan und so 🙂
    Puma habe ich noch keinen gesehen, aber wenigstens Baeren !
    Unfallfreiheit wuensche ich mir bei den crazy actions von mir auch sehr …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

5 × fünf =

CAPTCHA *