Da bin ich wieder und habe die grossen Paesse der High Sierra Nevada alle ueberquert und natuerlich Mount Whitney (4421m) bestiegen!
Mit einem ziemlich schweren Rucksack – 12 Tage Futter im Baerenkanister (macht 1kg nur fuer die Verpackung; aber immer noch leichter als auf dem Weg aus Tehachapi) bin ich aus Kennedy Meadows raus, habe mich aber ziemlich schnell dran gewoehnt. Der ULA Catalyst traegt sich wirklich angenehm, auch wenn es 15-16kg sind.
Dann kommen fuer den Anfang Trail Pass und Olancha Pass – es wird zunehmend steiniger, aber ich trage wenigstens kein Wasser mehr mit mir herum.
Nach Cottonwood Pass mache ich einen kurzen Tag bis Crabtree Meadows, von wo ich am vierten Tag auf den Mt. Whitney will. Ich treffe Robert Banana Pants am fruehen Nachmittag im Camp, er war zum Sonnenaufgang am Gipfel und ueberzeugt mich, dass das eine gute Idee ist.
Also Wecker auf 1:00 frueh gestellt. Um 0:12 muss ich pinkeln und beschliesse, dass sich der Schlafsack nicht mehr auszahlt und packe mich zusammen. Ein paar andere starten auch schon und man kann ja nie wissen …
Um 0:22 bin ich am Trail mit meiner kleinen Photon Rex Taschenlampe. Schon nach zwei Stunden leuchtet sie nur mehr unzuverlaessig, geht immer wieder aus, obwohl ich nur die kleinste Stufe brauche. Die Milchstrasse ueber mir gibt kaum genug Licht, der Mond ist nur mehr eine kleine Sichel und wird erst gegen 3 aufgehen. Nach dem Guitar Lake, den ich nur fuehlen aber nicht sehen kann, weil es kalt wird, geht es an die steilen Serpentinen. Mit meinem schwachen Licht moechte ich in der Mitte einer Gruppe gehen, aber ich kann deren enormes Tempo nicht halten. Schliesslich hilft mir Russ, der mich als Lamp Dog begleitet und mir Licht spendet. Zuerst geht er vor mir und dann beleuchtet er von hinten meinen Weg. Ich stolper so dahin, moechte gar nicht wissen, wie steil es um mich herum ist und lasse meine Fuesse und Beine allein entscheiden – die wissen den Weg und reagieren schneller, als ich schauen kann. Die letzten hundert Meter wird die Luft etwas knapp und mir ist schlecht – vor allem weil wir immer noch zu schnell gehen; es ist saukalt, aber nicht windig. Es liegt auch kein Schnee, nur eine kleine Passage von vielleicht 50 Metern ist schon als kleiner Gang ausgetreten.
Um 4:14 bin ich am Gipfel, der eher ein flaches Plateau mit Felsbloecken ist. Der kleine Raum in der Smithsonian Huette ist vollgeschneit und zwei Hiker waermen sich mit einem Joint bis bis Sonne um 5:28 aufgeht.
Der Himmel wird heller, der halbe Horizont wird orange und schliesslich kommt die Sonne mit einer unglaublichen Leuchtkraft hinter dem Gipfelmeer hervor. Ich habe schon viele Sonnenaufgaenge gesehen, aber dieser hatte wirklich etwas Besonderes und mich zu Traenen geruehrt. Die Stimmung unter ungefaehr 17 Hikern ist gut – aber um 6 steige ich wieder ab, weil dieser Platz ist mir zu ungemuetlich und zu kalt. Beim Abstieg wird mir klar, was ich da bei Nacht und insuffizienter Beleuchtung gemacht habe …
Um 9 bin ich wieder unten und gehe schlafen. Nachmittags gibt es noch eine kleine Etappe um morgen frueh moeglichst nahe am Forester Pass zu starten.
Am Forester Pass (4009m) bin ich vor dem Fruehstueck um 7:30; der Aufstieg ueber die Serpentinen war leicht und die letzten drei laufe ich, wie das ueblich ist. Weil es so frueh ist, geht sich vor dem Tee am Nachmittag um 15:30 noch der Glen Pass (3200m) aus. Es ist eine Kaltfront angekuendigt und die Wolken werden immer mehr und haengen tief, ueber dem Glen Pass bleibt aber ein blaues Fenster. Beim Abstieg beginnt es fuer eine Stunde ganz leicht zu regnen, ein paar Schneegraupel kommen mit, aber ist ist nicht kalt. Zumindest den Moskitos ist es nicht zu kalt …
Der naechste Pass ist Pinchot (3673m) und weil es in Arbeit ausarten wuerde stoppe ich ungefaehr 3 Meilen vor dem Mather Pass (3688m) und behalte mir den fuer den naechsten Morgen vor. Den Abschluss der grossen Paesse macht der Muir Pass (3643), der mir am wenigsten gefaellt. Wie ich ueberhaupt immer zusehe, dass ich aus Rock Land wieder zurueck ins Moskito Land komme, weil mir die kargen steinig-felsigen Mondlandschaften der High Sierra zu trist und beklemmend sind. Da helfen auch die ganzen Seen nichts – ich schaue, dass es wieder rund um mich gruen wird und geniesse die langen Wanderungen durch die Taeler, an den Fluessen entlang.
Eine schoene Ueberraschung ist die Aussicht vom Selden Pass – Marie Lake ist wirklich schoen. Es kommen die ersten Flussquerungen, die mir leichte Sorge bereiten. Aber weil es keinen Schnee mehr auf den Bergen gibt, fuehren auch die Fluesse wenig Wasser – Evolution Creek und Bear Creek sind nur gut knietief und leicht zu furten. Vermilion Valley Resort lasse ich aus, weil ich genug Futter habe und sich der Umweg nicht auszahlt. Dafuer gehe ich noch gleich ueber den Silver Pass. Ich moechte nach Red’s Meadow gerne eine Variante des PCT durchs Cascade Valley gehen, weil es hier Hot Springs gibt. Am fruehen Morgen zweige ich ins Tal ab und bin nach zahlreichen Baumhindernissen schon vor mittag an den Iva Bell Hotsprings.
Letzten November hat es in der Region die groesste Windwurfkatastrophe seit Menschengedenken gegeben und unzaehlige Baumriesen liegen herum – der PCT ist schon ziemlich gut geraeumt, aber auf den anderen Trails ist noch alles Chaos.
Die Hot Springs sind pure Freude und Genuss – ganz schwer zu beschreiben 🙂 Ein kleiner Pool, umgeben von Bergen, mitten in der Wiese, ein Kolibri sitzt ueber mir auf einem Ast, es scheint die Sonne, aus dem sandigen Naturboden blubbert es von Zeit zu Zeit, das Wasser ist gut warm, ich bin ganz allein, die Muskeln freuen sich ueber das warme Wasser …
An fruehen Nachmittag kommt ein Paar und fragt, von wo ich komme und wie der Trail waere, weil wo sie herkommen sind viele Baeume down. Ich denke mir nichts dabei, weil ich hatte auch viele Baeume down …
Nach rund 3 Stunden Hot Pool mache ich mich auf den Weg nach Red’s Meadow und innerhalb weniger Minuten relativiert sich das, was ich am Vormittag an Baumklettereien und -umwegen hatte. Ich befinde mich im groessten Alptraum von kreuz und quer uebereinander liegenden Baumriesen – unvorstellbar! Ich muss manchmal minutenlang an einem Punkt stehen und ueberlegen, welchen Weg durch das Chaos ich nehmen koennte und oft muss ich umdrehen, um einen anderen zu gehen, weil es nicht weitergeht. Gehen heisst, sich auf dicke Staemme hinaufziehen (mit Rucksack!), auf der anderen Seite wieder runter – da gibt es aber Aeste und rauhe Rinde; manchmal geht es unten durch zwischen den Aesten (dann bleibt der Rucksack haengen oder muss allein durch), manchmal auf einem dicken Stamm entlang balancieren – dann habe ich oft das Problem, dass ich auf der anderen Seite nicht runterkomme – ich bin nahe an der Verzweiflung. Das Ganze ist nicht nur unheimlich anstrengend, sondern auch noch ziemlich gefaehrlich – den einzigen Trost und Sicherheit geben mir die Tatsache, dass die beiden Hiker, da heute schon durch sind und ich immer wieder Spuren sehe. Fuer ungefaehr eine Meile brauche ich 1:20, aber irgendwann wird es besser und es gibt nur mehr ueberschaubare Baumkletterstrecken. Richtig dankbar und gluecklich bin ich als die Baeume alle wieder in der Senkrechten stehen. Meine Beine und Arme sind total zerschrammt und voller blauer Flecken, aber ich bin durch!
Der Tag ist aber noch ereignisreicher – ich treffe meinen ersten Baeren am Trail! Er kommt mir entgegen und ist nur rund 30 Meter entfernt – ich bin so ueberrascht, dass ich hallo sage und schon ist eine nicht nur sprichwoertliche Staubwolke das Letzte was ich von ihm sehe. Kurz darauf sehe ich noch einen weiteren Baeren – also eigentlich sein Hinterteil – sind die schnell! Die Hirsche bleiben alle stehen und glotzen einen an wie die Kuehe, aber die Baeren sind eine Staubwolke.
Um 19:30 komme ich in Red’s Meadow an – vorher noch einen kleinen Abstecher zu den Rainbow Falls gemacht. In der Abendsonne leuchtet der Regenbogen im Wasserfall.
Die Strasse aus Red’s Meadow ist wegen Raeumarbeiten ueber Nacht gesperrt und ich bleibe auf der Campsite – auch hier gibt es Hot Springs, die ich zum Abschluss des anstrengenden (vor allem mental) Tages ausgiebig geniesse.
Am naechsten Morgen um 7:00 kann ich mit David nach Mammoth Lakes mitfahren. Da ich wie immer frueh aufstehe geht sich noch ein morgendliches Bad im heissen Pool aus und auf ein Fruehstueck werde ich auch noch eingeladen bevor es in die Stadt geht. Hier checke ich im Motel 6 ein und bleibe fuer zwei zero days – Essen nachfassen, rasten und mich auf die naechsten Etappen freuen.
Meine Highlights in der High Sierra Nevada:
- Sonnenaufgang am Mount Whitney
- Forester und Glen Pass an einem Tag
- Aussicht vom Selden Pass auf den Marie Lake
- die langen Wege durch die Taeler
- meine koerperliche Kondition
- kein Schnee
- Begegnung mit einem Baeren (auch wenn sie nur sehr kurz war)
- Hot Springs
Fuer Kenner meine ungefaehren Tagesetappen (so weit ich sie noch weiss) durch die Sierra – ohne Schnee sind auch hier die 20+ leicht zu schaffen:
Kennedy Meadows – erste Bruecke
erste Bruecke – Death Valley
Death Valley – Chicken Spring Lake
Chicken Spring Lake – Crabtree Meadow
Crabtree Meadow (+Mt. Whitney) – Tyndall Creek
Tyndall Creek – Lower Rae Lake
Lower Rae Lake – 3 mi vor Mather Pass
Mather Pass – 4 Meilen vor Muir Pass
Muir Pass –
kurz nach Silver Pass – Red’s Meadows
Super super!
Zuerst Schlangen und jetzt der erste Bär, das Leben ist doch schön 🙂
Freue mich für dich über deinen anscheinend spitzen Zustand und den offensichtlichen Spass den du an der Sache hast, großen Respekt dafür.
Sowas ähnliches mit den umgestürzten Bäumen kenne ich, das ist dann schonmal einen „Brüller“ wert.
Weiter so, freue mich jedesmal aufs neue auf deinen Bericht!
Grüße
Timo
Wahnsinn! Jetzt liegt auch die Sierra schon hinter dir. Kann dich jetzt noch etwas stoppen? Ich glaube nicht! Ich bin mal gespannt wie dir die nächsten Abschnitte gefallen, denn die Sierra Nevada ist ja wohl so etwas wie der Höhepunkt des PCT.
Ich wünsche dir weiterhin schöne Erlebnisse und gute Gesundheit
Gerald
Liebe Sabine Schroll,
ich bin sehr froh, dass es Ihnen so gut geht und ich freue mich sehr mit Ihnen über den Bären! Mein Mann und ich haben auch die Erfahrung gemacht, dass sie uns Menschen aus dem Weg gehen. Auch die Grizzlys. Wir waren grad auf Camping Urlaub (nein, ganz luxuriös mit RV) in Alberta und British Columbia und durften auch wunderbare Tierbegegnungen erleben. Sogar Bisons. Ich empfinde eine große Dankbarkeint für diese Erlebnisse. Freue mich, dass wir Sie auf diese Art ein bisschen begleiten dürfen. Alles Liebe und Gute weiterhin! Ulli
Du bist ja schon eine ziemlich alte Tante. Aber: weiter so!
Die deutschen Jungspunde, die auf dem Appalachian Trail unterwegs sind und die auch ein paar Zeilen ins Internet schreiben, haben schon fast alle aufgegeben.
Das wird ja immer spannender!
Bitte sei zu deinem nächsten Bär nicht gleich so freundlich und verkneif dir das „Hallo“ Vielleicht geht sich dann auch ein Foto aus (und wenns vom Hintern ist ;)) )
Have fun und ich staune nur so über deine Kondi…
Wahnsinn! Pass weiterhin gut auf dich auf!
Kannst wirklich stolz sein auf deine Leistungen,Erlebnisse und Berichte.
Danke, dass wir dies fürs erste über deine Seiten mit dir teilen dürfen.
Big big Hugs
Danke, danke!
Aufhalten koennte mich jetzt nur ein wirklicher Schaden oder der Totalzusammenbruch …
Ich finde die High Sierra etwas ueberbewertet (mit mehr Schnee haette ich den Abschnitt glatt fuer verzichtbar erklaert) und freue mich sehr auf die kommenden Abschnitte, die nicht so hoch liegen und mehr im Moskito Land bleiben – jetzt kommt vulkanisches Gestein statt Granit! Eigentlich gibt es sowieso jeden Tag, jeden Augenblick irgendwas zu erleben – es ist nie langweilig, auch wenn der Weg aeusserlich vielleicht weniger Abwechslung bietet.
Und das mit dem Baeren hat mich total ueberrascht – ich habe doch gerechnet, dass er wenigstens einen Moment innehaelt, aber die Flucht war einzigartig. Trotzdem ein besonderes Erlebnis!
Die naechsten Tage mache ich noch einen Abstecher ins Yosemite Valley, wenn ich schon einmal da bin :).
@Denny:die Pulswaermer sind der HIT! Ich trage sie so gut wie taeglich, wenn auch nur ca. eine halbe Stunde, aber da sind sie Gold wert. Danke!
Und jetzt auch noch das ganze mit ein paar Bildern von unterwegs!
Naechster Stop South Lake Tahoe, ca. 8 Tage…
Wahnsinnsbilder, sooo schön!!! Will dahin…
Du strahlst eine unglaubliche Kraft aus!
Top!
Danke für den Bericht und die Bilder!
Alles Gute,
Matthias
Achja, so ganz ohne weiß ist das grau schon langweilig 😉
Mammoth Lakes? Da hammse den toten Steve Fossett gefunden (2008?).
Meine Güte, kannst Du laufen! Zu was sollen wir gratulieren? Auf jeden Fall zum Mt. Whitney und auf jeden Fall zur Sierra im Ganzen. Ganz großartig! Thank you for sharing!
Go, Sabi, go!
Moni und Ralph
Liebe (Wa)Sabi ! Ganz grosses Kompliment für dieses Projekt und für die tolle Berichterstattung !!! Es ist auch für uns – Zurückgebliebene- sehr inspirierend, das mitzuverfolgen !!! Weiterhin alles Gute und schöne Erlebnisse und Bilder auf dem PCT !!! GLG Elisabeth
Liebe Sabine,
Deine Waden sehen mittlerweile beeindruckend aus, Deine Haare haben fast schon Hippielänge und hikertan hast Du auch einen anständigen – Dein Abenteuer liest sich weiterhin höchst aufregend und nach meinem „Urlaubsmonat“ mit zwei ganzen Wochen auf Reisen und viel Wind um die Nase kann ich so uuuuuungefähr erahnen, dass Dich ein Gefühl von Freiheit begleiten muss. Genieß es!
Ich liebäugele gerade mit einem Katzenkastrationsprojekt in Indien. Da sagte doch just der Katzenkalender mit Leo Tolstoi: „Folgte man aber dem Drängen, es zöge einen immer weiter in die Ferne.“ Na sowas !? 😉
LG Andrea
Bevor ich noch dein Kommentar gelesen hab ist mir ein Bild in besonders aufgefallen!!! Ich habs herangezoomt und alles gesehen!!!!
Ich freu mich rießig, dass du deine Tour soo toll meisterst und all deine Sachen :)) so gut brauchen kannst.
Big Big Hugs
Es braucht kein Weiss – es gibt genug gruen ! :)))
Meine Waden sind in der Tat ziemlich knackig und die Haaere inzwischen schon wieder auf Normalkuerze.