Quer durch Zypern auf dem E4 (III)

18.2

5. Etappe: Smigies Picknickplatz – Choli

Für das Frühstück lasse ich mir an meinem Luxusplatz viel Zeit – erst um 8:00 aufstehen und die Sonne geniessen, ausgiebig waschen, ein kleines Feuerchen im BushBuddy und zum Porridge frische Orangen – das Leben ist herrlich. Der Himmel ist heute strahlend blau und es hat schon in der Früh 17°.

Frische Orangen zum Frühstück ... und genug Wasser zum Händewaschen!

Zwei Männer stellen ihr Auto neben dem Picknickplatz ab und erklären mir sie gehen jetzt Pilze suchen. Aber viel weiter als 50m entfernen sie sich nicht vom Parkplatz und nach wenigen Minuten sind sie schon wieder zurück. Sie wollen mir unbedingt eine Mitfahrgelegenheit anbieten, weil zu Fuss – das geht doch gar nicht!

Der E4 geht weiter durch den Akamas Forest, der jetzt auch schon wie richtiger Wald aussieht und nicht wie das Gestrüpp an den küstennahen, tiefer liegenden Regionen. Auf dem Höhenrücken der Halbinsel habe ich immer wieder geniale Ausblicke auf beiden Seiten zum Meer.

Blick zurück zur Feuerwache - rechts im Tal der Picknickplatz Smigies

Die Hauptwindrichtung ist eindeutig

Panorama für die Vollansicht anklicken.

Panorama

An einer Wegkreuzung mache ich eine kleine Rast und geniesse die Sonne, die Stille, den Ausblick auf die Westküste an der ich gestern gewandert bin als ein Mountain Biker den Berg von dort rauf kommt. Donald setzt sich zu mir und bietet mir eine Banane an und wir unterhalten uns eine Weile. Er ist in seiner Pension von Frankreich nach Zypern übersiedelt und bietet mir gleich eine Übernachtungsmöglichkeit an, falls ich wieder nach Paphos komme.

Rast in der Mittagssonne

Blick bis ganz nach hinten über den Höhenrücken, den ich heute gegangen bin

Nach ungefähr 2 Stunden ebenem Gehen auf dem Höhenrücken erreiche ich eine Strassenkreuzung mit einem kleinen Pavillon. Der Wind weht heftig auf der Kuppe und verbläst die ganze Wärme, die die Sonne schon hätte. Aber hier gibt es Wasser und es ist Zeit für meine Mittagspause. Meine leichte Ausrüstung muss ich immer fixieren oder mit Steinen beschweren sonst fliegt sie davon.

Wegmarkierung - zumindest anwesend

Durchgefroren und steif mache ich mich auf den Weiterweg Richtung Drouseia. An den Abhängen und im Bachbett neben der kleinen Betonstrasse finde ich schon die ersten Anzeichen des Ortes: Sperrmüll aller Art. Kühlschränke, Sitzgarnituren, Verpackungsmaterial, halbe Wohnungseinrichtungen liegen hier in der Landschaft – es ist ausgesprochen unschön!

Ein traditionelles zypriotisches Dorf kann nicht mehr weit sein!

Drouseia soll angeblich ein Hotel haben. Und es hat auch eines, oder vielmehr eine Hotelruine, das Drouseia Heights*** Hotel. Eine Frau erzählt mir es wäre schon seit längerem geschlossen, hätte den Besitzer gewechselt und wird vermutlich noch die nächsten Jahre geschlossen bleiben. Auf der Hauptstrasse verlasse ich die Ortschaft, muss schon wieder herumsuchen, weil immer wieder Markierungen fehlen. Aber inzwischen habe ich dazu gelernt: im Zweifelsfall muss man leider den Hauptstrassen folgen und die Markierung im Strassengraben suchen.

Mandelblüte

Hauseingang in Drouseia

Kritou Tera soll ein besonders traditionelles zypriotisches Dorf sein – es zeichnet sich wie alle anderen traditionellen Dörfer auch nur durch wilde Sperrmülldeponien im Umfeld und in diesem Falle auch noch besonders viele verfallene Häuser aus. In einem Kafenion – diesmal ein riesiger Flachbildfernseher in einer Ecke, aber nur ein älterer Mann – frage ich um den Weg. Weil es schon bald dunkel wird bitte ich um Wasser und gehe wieder zurück durchs Dorf zu dem Punkt wo ich falsch abgebogen bin. Sobald ich die Häuser von Kritou Tera und Tera hinter mir gelassen habe beginne ich meinen Schlafplatz zu suchen. Das ist wie immer sehr einfach! Ein paar Schritte oberhalb der Strasse ins Ziegenland, ein ebener Platz zwischen dem Dornengestrüpp und in wenigen Minuten steht mein Tarp. Sobald die Sonne weg ist ist, wird es doch ziemlich frisch und ich freue mich über meine Extraschichten und ein warmes Essen.

Biwakplatz mit Blick über die Chrysohou Bay

Zum Abendessen gibt es Pasta mit Tomate und Mozzarella und nach dem Essen lasse ich ein kleines Lagerfeuerchen im BushBuddy weiterbrennen. Mit offenem Feuer muss man in Zypern auch im Winter extrem vorsichtig sein und sobald es warm und trocken wird, ist es absolut tabu!

BUshBuddy Lagerfeuerchen

19.2.

6. Etappe Choli – Stavros tis Psokas

Morgenrot - diese Momente sind unbezahlbar und entschädigen für vieles

Es ist eine angenehm warme Nacht mit einem schönen Sternenhimmel bis eine Stunde vor Sonnenaufgang immer heftigerer Wind aufkommt. Sobald es hell ist baue ich das Tarp ab, bleibe aber trotzdem noch bis 8:00 im warmen Schlafsack bis die Sonne höher steht. Der starke Wind lässt die 19° gar nicht so richtig zur Geltung kommen. Das Frühstück fällt heute aus, weil es wegen des Windes kein Feuer gibt und ich die grenzbescheuerte Idee hatte ein Mousse au Chocolat mit Ablaufdatum 30.9.2000 (!) auszuprobieren. Es ist nicht ganz verdorben, aber auch kein wirklicher Genuss. Daher gibt es Wasser und einen Riegel, etwas später auf dem Weg finde ich noch Orangen. Weil mir naturgemäss das Feeling dafür fehlt, wann die reif sind, suche ich mir ein paar vom Boden, die schön aussehen. Die waren trotzdem ziemlich sauer und Orangen essen hat den Nachteil, dass die Finger furchtbar klebrig werden.

Orangen stehlen ist einfach

Wieder einmal gibt es keine bezeichnete Abzweigung und ich komme in eine Ortschaft Skoulli abseits des E4. Das erweist sich aber als Glücksfall, weil ich zwar einerseits einige Kilometer auf der B7 Schnellstrasse gehen muss, andererseits aber auf einen kleinen Supermarkt treffe. Direkt an der B7 liegt auch die als sehenswert eingezeichnete Herpetologische Station – doch die sieht ziemlich tot aus.

In Byrons Halfway Market kaufe ich mir verschiedene Kekse, Snickers, Zwieback und meine neue Lieblingsknabbermischung.

Nach der Abzweigung von der Schnellstrasse, die noch markiert ist beginnt dann schön langsam der Irrweg.

Ah - der Weg ist ja doch markiert!

Esel mit Landschaft

Bis Steni komme ich noch und folge der einzigen Strasse in der richtigen Richtung bis zu einer Dreifachkreuzung, natürlich ohne den geringsten Hinweis, mitten in der Landschaft. Wie ich diese Situationen liebe! Grübel, grübel und studier – na dann nehm ich eben einmal den rechten Weg, der könnte von der Richtung am besten passen. Vorbei an einer Hausbaustelle und bis zu einem roten Schild an der Strasse: „Do not approach Restricted Area Danger – Death“.

Hier weitergehen?

Gut, so wichtig ist mir der E4 dann auch wieder nicht, dass ich hier weitergehe, also wieder zurück zur Kreuzung. Ratlos Pause machen, Snickers essen und Wasser trinken. Es ist Samstag mittag, Stille, Menschenleere und immer noch fährt niemand vorbei den ich fragen könnte. Auf meinen Karten (1:100 000 Paphos Area und der mickrige unscharfe A4 1:200 000 Ausdruck der CTO-Broschüre) sind nur sehr vereinzelt Strassen eingezeichnet – unzählige sind um mich herum.

Da regt sich etwas an der Hausbaustelle und ich gehe noch einmal durch den Graben bis dorthin. Ein Jüngling werkelt da, leider spricht er kein Wort englisch, aber bei Myrmikofou nickt er, das wäre hier. Hilft mir auch nicht wesentlich weiter und schliesslich entscheide ich mich, wie schon Buddha vorgeschlagen hätte, für den Mittleren Weg.

Es geht bergab in einem Flusstal, der ein kleiner Bach ist – Sperrmüll inklusive. Neben einem Orangengarten steht ein Auto, das bedeutet in Zypern, hier kann ein Mensch nicht weit sein! Ein Mann arbeitet auf seinem Grundstück und ich frage ihn, ob mich der Weg an die erhoffte Hauptstrasse führen wird. Ja, tut er in 1,5 km. Einige Asphaltkilometer bergauf sollte ich dann wieder auf den E4 treffen. Die Strasse zieht sich in vielen Kurven, es ist heiss und schön langsam wäre etwas Wasser nicht schlecht. Dort wo ich vermute, dass der E4 einmünden müsste steht ein Auto und zwei junge Männer sammeln Pilze nicht weit von der Strasse.  Vom E4 ist nichts zu sehen. Sie bieten mir unverzüglich eine Mitfahrgelegenheit in ihrem PickUp und auch Wasser an. Von den vielen Strassenkilometern zermürbt und den fehlenden Markierungen frustriert bin ich sofort dafür. Blitzeschnell komme ich durch Pelathousa (mit seinen zerschossenen Häusern und dem Minarett) und die beiden setzen mich ab, als die erste E4 Markierung wieder auftaucht. Zwischen Wiesen geht die Strasse leicht bergauf und weil es schnell zuzieht mache ich meine Mittagspause an einer kleinen Kapelle Agia Zoni, wo es auch Wasser gibt.  Kurz bevor ich wieder aufbrechen will, beginnt es zu schütten und ich setze mich auf die Holzbank in der Kapelle. Nach wenigen Minuten ist der Guss vorbei und ich folge den Markierungen nach Peristerona.

Agia Zoni

Innenansicht - zuwenig Weitwinkel

Im nachträglichen Verfolgen des E4 auf der Karte stelle ich fest, dass der tatsächliche markierte Weg von dem auf der Karte abweicht und dieser Umstand ist der Grund für meinen nächsten Irrweg.

Der Karte nach müsste ich schön langsam in Meladia sein, aber die Strasse ist umgebaut, das Strassenschild liegt ohne zuverlässige Richtungsangaben daneben und es stehen lauter Namen drauf, die ich auf keiner meiner Karten finden kann. Etwas weiter an der Strasse steht ein grosses Haus mitten auf der Wiese und der Besitzer arbeitet grade an seinem Zaun. Nichts wie hin den halben Kilometer und gefragt, wo ich eigentlich bin. Er spricht englisch und weiss auch wo ich bin – ziemlich weit weg, von dort wo ich hin wollte. Obwohl nur ein paar Kilometer Luftlinie liegen doch zahlreiche Höhenmeter und verschlungene Serpentinenwege dazwischen. Ich folge seinem Vorschlag und gehe ins „Zentrum“ von Filousa. Es gibt wieder einige kurze Schauer, doch mein Regenschirm ist für diese Situationen ein echter Hit! Am Ende der Ortschaft beginnt eine Erdstrasse, die sich alsbald in 3 Strassen aufteilt. Nicht schon wieder. Bevor ich experimentiere gehe ich in den Ort zurück und frage eine Frau, die ihre Hühner füttert, welche der drei Strassen nach Melandria zu nehmen wäre. Pantomimisch klären wir, dass es die mittlere ist und ich verabschiede mich dankbar von ihr.

Schon nach wenigen Minuten höre ich ein Auto hinter mir. Die Hühnerfrau ist mir nachgekommen und bietet an, mich nach Melandria zu führen! In ihrem klapprigen kleinen Toyota geht es über Serpentinen bergauf und bergauf, an unzähligen Abzweigungen vorbei, die mich jedes Mal wieder herausgefordert hätten. Unsere Unterhaltung besteht wie so oft aus einzelnen englischen Wörtern und viel Lächeln, Gesten und gutem Willen. Keine Schule erzählt sie mir und will wissen, was ich denn in Melandria wolle, boy friend? Nein, nur zu Fuss gehen sagen mein Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. An einer Baracke bleibt sie stehen und unterhält sich mit einer jungen, mit einem Handtuch und Sicherheitsnadeln maximal verschleierten Frau, die Schafe hütet, aber ich verstehe nur freundliche Neugier von ihrer Seite und Zurückhaltung von der anderen.

Beginnendes Bergland um die 500m mit tiefhängenden Regenwolken

Vor einem riesigen Schlammloch endet unsere Fahrt, weil durch diese Prüfung kommt sie mit der kleinen Klapperkiste nicht mehr. Melandria ist aber schon in Sichtweite zeigt sie mir den Berg hinauf. Ich sehe eigentlich nichts, ausser … Sperrmüll an den Hängen und ein paar Ruinen. Melandria ist eines der türkisch-zypriotischen Dörfer, die 1974 verlassen wurden und seither dem Verfall preisgegeben sind. Ein eher trostloser Anblick.

Melandria

Ruinen seit 1974

Nach Stunden im Abseits entdecke ich hier auch wieder eine E4 Markierung und muss mich nur für die richtige Richtung entscheiden. Bald bin ich an einem Reitstall vorbei und an der Bergstrasse nach Stavros tis Psokas. Bis dorthin ist es aber noch weit und ich überlege, ob ich nicht die Etappe (gewiss auch Strasse) im Tal des Flusses Stavros tis Psokas auslassen und durch eine Mitfahrgelegenheit ersetzen soll. An einem Krieger – (oder Freiheits?) Denkmal gibt es einen  Brunnen. Der Hahn ist zwar abgebrochen, aber mit zwei Fingern kann ich auf- und abdrehen. Das Biwak wäre im Fall des Falles gesichert. Ich gehe auf der linken Strassenseite und beschliesse, falls ein Auto in meiner Richtung vorbeikommt, den Daumen rauszuhalten. Kaum fertig gedacht kommt schon ein Mann, der mich natürlich gerne mitnimmt. Er wohnt in Stavros tis Psokas und kommt vom Arbeiten aus Polis. Am meisten fasziniert ihn, dass ich keine Kinder habe und er muss mehrfach nachfragen, ob er auch recht verstanden hat. Laut meiner Karte muss es in Stavros tis Psokas einen Campingplatz und auch ein Hostel geben und er bestätigt mir,  dass es ein Hotel gibt. Genaugenommen gibt es dort eigentlich nur eine Forststation, ein Hotel und einige wenige Familien, die in der Umgebung wohnen. Welches Glück, dass gerade einer von denen nach Hause fährt!

Begegnung mit einem schwarzen Ferkel

Melandria

Kapelle vor Drouseia

Blick zurück auf die Westküste der Akamas Halbinsel

... und die andere Seite

2 Kommentare

  1. Schöner Tourenbericht!

  2. Echt schön geschreibener Bericht!

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